Hunde

Hund und Herrchen. Über „Jasper braucht einen Job“ von Michael Ondaatje & Serge Bloch

Seit diesem Jahr schreibe ich – in bester Bloggergesellschaft – auch für das Magazin der Büchergilde. In meinem ersten Beitrag stellte ich eine groteske, kunstvoll illustrierte Kurzgeschichte von Beststellerautor Michael Ondaatje vor:Ondaatje_Michael_Jasper_Heftansicht_3

Ein Hund, heißt es in Studien, ist gut für die Gesundheit. Er verringert Stress, senkt den Blutdruck und hält uns fit – es sei denn, man muss einen ehemaligen Profiringer engagieren, der ihn Gassi führt. Dann geht es einem wie Mr. Cletus, dessen Dobermann Jasper nicht nur nutzlos, sondern auch ziemlich kostspielig ist. Und weil der beste Freund des Menschen gleichsam sein Spiegel ist, muss ausgerechnet Familienhund Jasper für das bürgerliche Anspruchsdenken seines Herrchens herhalten. Einen Job findet Jasper nicht, dafür aber eine Nebenrolle in einem Theaterstück – in den Augen von Mr. Cletus eine ideale Gelegenheit, um endlich einmal aufzutrumpfen, vor allem gegenüber dem beliebten Wheaton-Terrier der Nachbarn. Doch nicht nur Mr. Cletus platzt vor Stolz: Als sein Jasper zum heimlichen Star der Aufführung wird, erliegt der Dobermann schon bald den Verlockungen des Erfolges…

Lakonisch und mit Sinn für absurden Humor erzählt der Kanadier Michael Ondaatje, dessen Debüt Der englische Patient mit dem Booker Prize ausgezeichnet wurde, in Jasper braucht einen Job eine allzu menschliche Geschichte über fünf Minuten im Scheinwerferlicht, zu Kopf gestiegenen Ruhm und die Frage, wer bei Hund und Herrchen eigentlich das Sagen hat. Dass Jasper ausgerechnet den Hauptfiguren in George Bernard Shaws Caesar und Cleopatra die Schau stiehlt, ist natürlich kein Zufall: „Bald bekamen viele Zuschauer den Eindruck, nur dieser Hund würde so ganz verstehen, dass es bei dieser Liebesbeziehung unterschwellig auch um Macht ging.“

Lebendig wird die Erstveröffentlichung von Ondaatjes grotesker Kurzgeschichte vor allem dank der stimmungsvollen Illustrationen von Serge Bloch, die jede Seite in ein ganz eigenes Kunstwerk verwandeln. In Kontrast zu den einfachen, aber treffsicher karikierten Figuren setzt Bloch Collagen, Skizzen und farbige Flächen, die den Text atmosphärisch spiegeln. Dem Franzosen, bekannt für Illustrationen in mehr als 300 Büchern und seine Arbeiten für die New York Times, die Washington Post und das Time Magazine, gelingt es aber nicht nur, die Stimmung des Textes einzufangen, sondern ihn auch zu ergänzen und zu interpretieren – etwa im Fall von Jasper, der mal im feinen Zwirn, mal salutierend in Uniform zur Karikatur von Mr. Cletus’ bürgerlicher Großmannssucht wird.

Jasper braucht einen Job ist deshalb nur auf den ersten Blick ein kurzweiliges Vergnügen. Michael Ondaatjes skurrile wie kluge Geschichte regt zum Nach- und Weiterdenken an, während die Illustrationen Serge Blochs viel zu eigenständig und gelungen sind, um sie bloß als Beiwerk zu betrachten; tatsächlich möchte man die Seiten immer wieder aufschlagen, um neue Details auf ihnen zu entdecken.


Michael Ondaatje / Serge Bloch: Jasper braucht einen Job. 32 Seiten. Aus dem Englischen von Anna Leube. Aus der Reihe: Die tollen Hefte, Band 47 (Büchergilde). Dieser Text erschien erstmals im Magazin der Büchergilde (2. Quartal 2017). Im Zuge der Reihe #lithund wurde das Heft auch bei Das graue Sofa vorgestellt.