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Unterwegs mit und ab der Mittnachtstraße

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„Einige zentrale Schauplätze dieses Romans sind real oder an reale Orte in Stuttgart angelehnt“, heißt es im Vorfeld meines Romans Mittnachtstraße. Gemeint sind dabei vor allem ein Kleingartenverein beim Stuttgarter Nordbahnhof sowie das preisgekrönte Urban Gardening Projekt Stadtacker und die Container City in dessen unmittelbarer Nachbarschaft. Wo im Roman die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verlaufen und warum ich mich bei meiner Geschichte für dieses Setting entschieden habe – diese Fragen sollen, moderiert von der Stuttgarter Kulturvermittlerin Sara Dahme, am Samstag im Zentrum eines literarischen Stadtteilspaziergangs entlang der Romanschauplätze stehen. Nach mehreren kurzen Lesestationen und einer längeren beim Stadtacker wird es zum Abschluss in der Container City die Möglichkeit geben, bei einem Getränk miteinander ins Gespräch zu kommen. Treffpunkt ist die U-Bahn-Haltestelle Mittnachtstraße um 16 Uhr – Anmeldungen unter sven.hassel@voland-quist.de. Bei schlechtem Wetter findet die Lesung alternativ beim Kultur Kiosk im Züblin Parkhaus statt.

Warmlaufen darf ich mich allerdings schon einen Tag früher. Dann bin ich nämlich auf Einladung von Carolin Callies zu Gast bei der schönen Lesereihe Flaneure und Flaneusen in Ladenburg bei Mannheim. Nächste Woche geht es dann schon – oder endlich! – zur Frankfurter Buchmesse, wo ich am Mittwoch um 14 Uhr beim Literaturbahnhof aus Mittnachtstraße lesen darf. Eine Woche später, am 26.10., stelle ich meinen Roman dann beim Literaturherbst Krumbach vor, ehe ich mich nach einer kurzen Pause auf meine erste Lesung im Literaturhaus Stuttgart freuen darf: Gemeinsam mit den Autoren Heinz Helle und Joachim Zelter lese ich am 16. November beim Themenabend Brüchige Männlichkeit aus Mittnachtstraße und diskutiere im Anschluss über die Themen unserer Romane.

Im Livestream und vor Ort in Stuttgart: Didi Drobna liest aus „Was bei uns bleibt“

Wirlphoto_Drobna_20210815_WEB-17Als wäre sie einfach aus der Geschichte getilgt worden: Nicht einmal eine Gedenktafel erinnert heute noch an die unterirdisch im Wald versteckte Munitionsfabrik im österreichischen Hirtenberg, in der Didi Drobnas Protagonistin Klara 1944 freiwillig den Dienst antritt. Zusammen mit hunderten anderer Frauen setzt sie dort bis kurz vor Kriegsende tagein, tagaus abertausende Zündkapseln für die Front zusammen – eine harte Arbeit, die Klara aber durchaus mit Stolz erfüllt. Das ändert sich erst, als gleich neben der Fabrik eine Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen errichtet wird. Den Arbeiterinnen werden nun Frauen aus dem KZ zugeteilt, mit denen – unter strenger, brutaler Aufsicht der SS – das gewaltige Pensum noch einmal drastisch erhöht werden soll. Dabei entstehen nicht nur Freundschaften, sondern erstmals auch Zweifel: am Endsieg, an den Klara und ihre Freundinnen lange glaubten. Vor allem aber daran, ob sie auf der richtigen Seite gestanden haben.

Lange hat Klara über die Jahre in Hirtenberg und ihre traumatischen Erlebnisse kurz vor Kriegsende geschwiegen. Nun aber, kurz vor ihrem Tod, kann die alte Frau ihre Erinnerungen nicht länger verdrängen. Bald hat sie keine andere Wahl mehr: Sie muss ihrem Enkel und Ziehsohn Luis erzählen, was damals geschah – und damit Licht auf ein fast vergessenes Kapitel der österreichischen Geschichte werfen.

Die österreichische Autorin Didi Drobna (Foto: Barbara Wirl) hat für ihren dritten Roman Was bei uns bleibt akribisch recherchiert, unter anderem sprach sie mit Zeitzeug*innen und suchte selbst im Hirtenberger Wald nach den Überresten der damaligen Fabrik. Es sind gerade die kleinen Details und lebendigen Eindrücke aus Klaras Arbeitsalltag, die Drobnas Roman so eindringlich und greifbar machen. Aber auch die Gegenwartskapitel um Klara als alte Frau sind weit mehr als bloße Rahmenhandlung: In ihnen spürt Drobna so subtil wie emphatisch den seelischen Verwüstungen des Krieges nach, die auch Generationen später noch Narben schlagen können.

Morgen Abend liest Didi Drobna um 19:30 in der Stuttgarter Stadtbibliothek aus „Was bei uns bleibt“ und wird darüber hinaus von ihren aufwändigen Recherchen zum Roman erzählen – und ich freue mich schon sehr darauf, den Abend moderieren zu dürfen. Weil wir zuhause gerade leider an diesem obskuren Familiendurchseuchungsprogramm der Bundesregierung teilnehmen müssen, werde ich selbst allerdings nur via Zoom zugeschaltet sein. Umso mehr hoffe ich auf viele Besucher*innen in der schönen Stadtbibliothek – blöd genug schließlich, dass Didi alleine auf der Bühne sitzen muss. Allen, die wie ich nicht vor Ort sein können, lege ich dagegen den Stream ans Herz: um 19:30 live auf YouTube!

Fake News #5

Ein kleines News-Update zum neuen Jahr: Seit gestern habe ich auf Twitter offiziell mehr Follower als Donald Trump – Konfetti! Außerdem erschien diese Woche ein sehr schöner Artikel in der Stuttgarter Zeitung, in dem mich der Autor Björn Springorum anlässlich meines Stipendiums vorstellt und darüber schreibt, wie ich nach dem Anruf aus dem Kunstministerium grölend durchs Wohnzimmer hüpfte. Fun fact (off the record): Es war zum Refrain von The Nationals „Mr. November“. Mit etwas gemäßigteren Stimmen waren diese Woche meine Mitstipendiatin Theres Essmann und ich übrigens im Radio auf SWR 2 zu hören – hier geht’s zu dem Beitrag von Silke Arning. 

Bis ich mich ins Schreiben meines nächsten Romans vertiefen kann, wird es noch zwei LIFT-Ausgaben und entsprechend bis Ende Februar dauern, spätestens im März steht bei mir aber endlich die Literatur wieder im Fokus – was sich dann hoffentlich auch hier im Blog bemerkbar machen wird (obwohl mir der neue Block-Editor bei WordPress schon jetzt die Nerven raubt). Die erste Lesung mit meinen drei MitstipendiatInnen steht übrigens – so Corona es zulässt – schon fest: Am 26.3. lesen wir bei den Landesliteraturtagen in Etttlingen!

Fake News #4

Bildschirmfoto 2020-06-23 um 21.39.26Inzwischen ist mein letzter Auftritt vor Publikum – ganz kurz vor dem Lockdown – mehr als drei Monate her. Fünf Lesungen aus Fake sind „wegen Corona“, wie es so unschön heißt, leider ausgefallen – darunter einige, auf die ich mich ganz besonders gefreut hatte. Stattdessen durfte ich die Heimquarantäne mit zwei Kindern wie eine böse Pointe auf meinen Roman erleben und mehr schlecht als recht dem Lagerkoller trotzen. „Aber das ist leider zugeschlossen“, so kommentierte meine jüngste Tochter zuletzt jeden Ort, den wir beiläufig erwähnten – darunter Schwimmbäder, ganze Länder, die Wohnorte der Großeltern, einmal sogar den Weltraum. Und eben: sämtliche Veranstaltungsorte.

Deshalb freue ich mich nun SEHR darüber, Ende nächster Woche gemeinsam mit Kirsten Fuchs gleich zwei Mal an einem Tag in Dresden auftreten zu dürfen: um 16 Uhr bei der Groovestation und um 20 Uhr auf der Gartenbühne des Societaetstheaters. Und wenn ich momentan so nach Berlin oder NRW schaue, hoffe ich, dass es nicht gleich wieder die letzten Lese-Gelegenheiten sein werden…

Aus Fake gelesen habe ich in den letzten Monaten übrigens trotzdem, zunächst live auf meinem Instagram-Kanal, dann als Gast beim großartigen Online-Literaturfestival VIRAL – die Lesung könnt ihr euch hier auf Facebook ansehen. Einen kurzen Clip habe ich im März auch in meinem Hotel in Leipzig aufgenommen, nachzuschauen hier auf YouTube.

War sonst noch was? Fake wurde unter anderem – wie ich finde, ziemlich treffend – bei Literaturkritik.de besprochen und in der Zeitschrift Freundin empfohlen. Außerdem hat der Autor und Journalist Björn Springorum ein schönes Porträt über mich für „Stadtkind Stuttgart“ geschrieben, in dem es heißt: „Mit Fake hat Frank Rudkoffsky den Roman der Stunde vorgelegt, wenn man mal kurz nicht über Corona nachdenken will.“ Und mal ehrlich: Wer will das schon noch? Bleibt gesund und bis bald!

Fake News #2

IMG_1850Und schon ist es wieder eine Woche her, seit ich vollkommen erschöpft, aber glücklich von der Frankfurter Buchmesse zurückgekehrt bin. Vier lange Tage und umso längere Nächte mit unzähligen tollen Begegnungen haben mir wieder bestätigt, dass es die großartigste Branche der Welt ist – und dass ich eigentlich gar nicht wegen der Bücher zur Messe fahre, sondern wegen der Menschen, die sie machen und die für sie brennen.

Okay, ein Buch stand dann diesmal doch im Zentrum für mich: Dank meiner Lesungen aus Fake auf der Leseinsel der Unabhängigen Verlage und bei Open Books sowie meinem Interview bei detektor.fm war es 2019 natürlich eine ganz besondere Buchmesse für mich. Einige Eindrücke der vier Tage in Frankfurt habe ich drüben bei Instagram geteilt.

Aber auch sonst ist seit dem letzten Update eine Menge passiert: Ich kann immer noch kaum fassen, wie oft Fake nun schon – und das auch noch durchweg positiv! – besprochen wurde. Ganz besonders freue ich mich natürlich über Lob von Menschen, deren Urteil ich auch als Leser schon seit Langem vertraue – so zum Beispiel von Uwe Kalkowski auf Kaffeehaussitzer, Mareike Fallwickl auf Bücherwurmloch oder Stefan Stefan Diezmann auf Poesierausch. Und das sind nur einige der vielen positiven Reaktionen auf meinen Roman, die ich bislang lesen durfte. Es kommt aber nicht nur auf die Kritiker an, sondern auch auf diejenigen, die Bücher mit viel Engagement und Herzblut an die Leser bringen – entsprechend stolz bin ich darum auf die lobenden Worte von Frank Menden von der Buchhandlung stories! in Hamburg und Hauke Harder von der Kieler Buchhandlung Almut Schmidt auf seinem Blog Leseschatz. 

Lesungen

72755320_2489914487959987_3922330160962994176_oEines habe ich bei meiner Premiere in der Stuttgarter Stadtbibliothek und den beiden Lesungen in Frankfurt gemerkt: Es macht mir wahnsinnig Spaß, aus diesem Buch zu lesen! Deshalb freue ich mich schon auf meine Lesung während der Buchwoche in Bienenbüttel nächste Woche – und auf hoffentlich viele weitere Lesungen aus dem Roman. Fest stehen bereits Termine in Stuttgart und Berlin im Dezember sowie eine Lesung in Frankfurt Ende Januar. Auch zur Leipziger Buchmesse darf ich noch einmal mit Fake anreisen – aber bis dahin wird, da bin ich mir sicher, noch so einiges passieren. Und das ist, ich kann es nicht anders sagen, nach dem langen Weg hierhin verdammt großartig!

Fake News #1

rudkoffsky_fake-vorschau-coverEinen Monat ist mein zweiter Roman Fake nun schon draußen – und zu meiner großen Freude ist er dabei schon ganz schön rumgekommen. Vor allem bin ich aber auch erleichtert – offenbar habe ich da tatsächlich ein ganz gutes Buch geschrieben. Sicher war ich mir da nicht: ein Mann, der aus der Sicht einer Frau über ein so sensibles Thema wie Mutterschaft schreibt, obendrein Figuren, die moralische Grenzen überschreiten und Falsches tun, aber trotzdem Empathie beim Leser wecken sollen – das hätte böse schiefgehen können. Auch angesichts der (trotz vieler positiver Rückmeldungen) recht zähen Verlagssuche wusste ich nicht, ob ich mich mit diesem Roman nicht verhoben habe. Umso schöner ist es dann, von Ocelot-Buchhändlerin Maria-Christina Piwowarski in ihrem Podcast blauschwarzberlin einen Satz wie diesen zu hören: „Ein großartiges Buch! Ich möchte Voland & Quist preisen und lieben, dass sie es gemacht haben!“

Die Begeisterung, mit der Piwowarski über Fake spricht, hat mich wahnsinnig gefreut. Und tollerweise steht sie mit ihrer Meinung nicht alleine da: Ob beim unfassbaren Auftakt mit Spiegel Online, in wunderbaren Blogbesprechungen wie der von Sophia Weigand auf Literaturen oder Tweets vom Zeit-Redakteur Christian Fuchs („Das Netzwerk der Neuen Rechten“) – bislang habe ich ausschließlich positives Feedback auf Fake bekommen. Gesammelte Zitate und Links zu den vielen Besprechungen findet ihr hier! Außerdem habe ich mit der Kreiszeitung Wesermarsch in meiner Heimatstadt Nordenham über den Roman gesprochen – hier geht’s zum Artikel.

Nächste Woche ist Premiere!

Ab nächster Woche darf ich die Reaktionen auf meinen Roman endlich auch live erleben – am 9. Oktober findet, moderiert von der großartigen Caroline Grafe, in der Stadtbibliothek Stuttgart die Premierenlesung von Fake statt. Eine Woche später geht es dann auch schon auf die Frankfurter Buchmesse – dort spreche ich am Freitag um 13 Uhr bei detektor.fm über den Roman und lese am Samstag sowohl um 12:30 auf der Leseinsel der Unabhängigen Verlage als auch um 17:00 bei Open Books im Stadthaus. Ich freue mich auf jede Buchmesse, auf diese aber natürlich ganz besonders!

Übrigens: Wer Lust hat, sich mit mir direkt über Fake zu unterhalten, kann sich noch sechs Tage lang für die Leserunde bei Lovelybooks bewerben und eines von zehn Büchern ergattern – ich freue mich auf den Austausch!

Mische statt Wasserglas: Bela B. Felsenheimer in der Zugabe von lesen.hören 13

Bildschirmfoto 2019-04-29 um 23.05.12Eigentlich ging die 13. Ausgabe des Mannheimer Literaturfestivals lesen.hören bereits im März zu Ende, im April öffnete die Alte Feuerwache allerdings für eine Zugabe noch einmal ihre Pforten. Zugabe, das klingt ja vor allem nach einem Rockkonzert. Und genau danach sah die Menschenschlange rund um das Gebäude eine Stunde vor dem Auftritt von Bela B. Felsenheimer auch aus: In strömendem Regen warteten Hunderte auf Einlass, um den Ärzte-Star aus seinem Debütroman Scharnow lesen zu sehen – aufgrund des großen Andrangs ist es sogar bereits seine zweite Lesung an diesem Tag.

Dass die Deutschpunk-Ikone mit Hang zu Horrorfilmen und Trash eines Tages unter die Schriftsteller gehen würde, haben vermutlich nur die wenigsten erwartet. Eines überrascht an diesem Abend jedoch keinen: dass Felsenheimer viel zu sehr Rampensau ist, um eine gewöhnliche Wasserglaslesung zu geben. Als er im Bademantel auf die Bühne kommt, legt er zunächst eine Videokassette in einen alten VHS-Rekorder ein, dann beginnt eine Stimme aus dem Off, aus Schnarnow zu lesen, während sich Felsenheimer in aller Ruhe auf seinem Platz einrichtet. Auch sonst verlässt er sich, obwohl er durchaus vortragen kann, bei seiner Lesung nicht einfach nur auf seine Stimme und das Buch: Es kommen auch Animationen, Illustrationen, Bilder und – sehr zur Belustigung des Publikums – immer wieder Soundeffekte zum Einsatz. 

Drei Jahre von der Idee bis zum Buch

Felsenheimer selbst ist an diesem Abend, wie er sagt, in bester Laune – und man wird den Eindruck nicht los, dass er manchmal noch selbst ins Staunen gerät, wie gut er im Literaturbetrieb angenommen wird: „Ich begann diese Lesereise als völlig unerfahrener Bestsellerautor“, stellt er ironisch fest. Aber Felsenheimer gibt trotz aller Witze unumwunden zu, dass ihn der Erfolg seines Debüts stolz macht. Scharnow mag ein aberwitzig abstruses, blutiges und in Teilen absichtlich trashiges Buch sein, die Arbeit an ihm nahm Felsenheimer – anders, als man das von so manchem Promi-Autor vermuten würde – jedoch äußerst ernst. „Ich habe vor drei Jahren beschlossen, das Buch zu schreiben, ein Jahr damit gehadert und dann zwei Jahre mit Lektoren am Manuskript gearbeitet“, so Felsenheimer. Sein Verlagslektor habe sich zum Glück einigermaßen tapfer geschlagen – einmal habe er aber auch ein großes WTF?! an den Rand geschrieben.

Der Irrsinn von Scharnow mit seinen paranormalen, fantastischen Begebenheiten und 38 Protagonisten nebst einigen Tieren hat durchaus seinen Sinn, erklärt Felsenheimer: „Mir ging es darum, im Buch zwei Welten darzustellen – die fantastische und die profane Welt. Die Leute im Buch sind aber so sehr mit ihrem Alltag beschäftigt, dass sie das Fantastische nicht wahrnehmen.“ Bei seiner Lesung beschränkt sich Felsenheimer hauptsächlich auf einen Handlungsstrang um die vier Männer vom sogenannten „Pakt der Glücklichen“, die nackt einen Supermarkt ausrauben, um sich Alkohol zu beschaffen, und dabei eine blutige Kettenreaktion auslösen. Irgendwann stellt Felsenheimer eine Flasche Korn und Fanta auf den Tisch und gießt sechs Gläser „Mische“ zusammen, die er anschließend durchs Publikum reichen lässt. So viel zum Thema Wasserglaslesung.

Aber auch ohne Mische ist die Stimmung sowohl beim Publikum als auch beim Autor glänzend, es wird viel gelacht und geklatscht, immer mal wieder auch dazwischen gerufen. Felsenheimer selbst, der mehrfach abschweift und ins Reden kommt, hat sichtlich Spaß an seiner neuen Rolle. Die muss er an diesem Abend auch noch weit über die Lesung hinaus ausfüllen: Die anschließende Signierschlange erstreckt sich im großen Saal der Alten Feuerwache einmal ganz im Kreis. Und zwar mit Büchern in der Hand, nicht mit Ärzte-Alben.

„Fake“ erscheint im Herbst bei Voland & Quist

IMG_0066Mein neues Buch mag zwar Fake heißen, auf der Leipziger Buchmesse fühlt sich die Tatsache, dass es schon im Herbst erscheinen wird, aber plötzlich ziemlich echt an: Am Stand von Voland & Quist stellten die Verleger Karina Fenner, Leif Greinus und Sebastian Wolter bereits fleißig und, wie ich mir von befreundeten Bloggern sagen ließ, auch sehr überzeugend meinen kommenden Roman vor: ein tolles Gefühl, das Buch – zwar noch ohne Cover – in der Herbstvorschau zu sehen! Nur die Leseprobe bekam ich nie zu Gesicht, wenn auch ohne allzu großes Bedauern: Sie war nämlich vergriffen.

Ich hasse Menschen – das Buch von Julius Fischer ging während der diesjährigen Leipziger Buchmesse am Stand von Voland & Quist übrigens besonders gut weg. Bei mir ist nach Messen ja immer das Gegenteil der Fall: Zwar bin ich froh, endlich etwas Ruhe und vor allem Schlaf zu finden, aber zugleich auch sehr, sehr dankbar für all die vielen schönen und inspirierenden, manchmal auch herrlich albernen Begegnungen und Gespräche mit Freunden und KollegInnen. Doch auch wenn jede Buchmesse ein Highlight für mich ist – die kommende in Frankfurt wird in jedem Fall eine ganz besondere!

Mehr zum Roman Fake in Kürze!

Vier Leser im Gespräch: Literarisches Quartett bei lesen.hören 13

IMG_5341Ein Format, das nach dem Tod von Roger Willemsen drei Jahre lang ausgesetzt wurde, kehrt bei der letzten Veranstaltung von lesen.hören 13 auf vielfachen Wunsch des Publikums und in veränderter Form zurück: Für Vier Leser im Gespräch diskutiert Programmleiterin Insa Wilke vom SWR lesenswertquartett fortan mit drei wechselnden „markanten Stimmen der Literaturkritik“ über aktuelle Bücher. In diesem Jahr zu Gast sind Wiebke Porombka von Deutschlandradio Kultur, aktuell Jurorin für den Preis der Leipziger Buchmesse, Marie Schmidt von der Süddeutschen Zeitung, die 2019 mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet wurde, sowie der Juror des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs, Klaus Kastberger. Das Prinzip ist bekannt: Jeder stellt der Runde jeweils einen aktuellen Roman zur Diskussion.

Michel Houellebecq: Serotonin

Das erste Buch, über das die Runde spricht, ist das unvermeidliche Serotonin von Michel Houellebecq – um das man, so Marie Schmidt, die den Roman zur Diskussion stellt, als Literaturkritiker praktisch nicht herumkomme. „Houellebecqs Bücher gehören zum Genre der gelesenen Literatur, sie werden in allen Feuilletons gleich am Erscheinungstag besprochen und sind immer Bestseller“, so Schmidt. Sie frage sich, warum das so sei: Serotonin sei schließlich auf allen Ebenen ein zutiefst depressiver Roman. Für Wiebke Porombka ist es darüber hinaus auch ein sowohl sprachlich als auch inhaltlich bloß mittelmäßiges Buch, das zudem noch von Houellebecqs fragwürdigen politischen Äußerungen überschattet werde. „Seine Provokationen wecken natürlich einen gewissen Kitzel“, erklärt sich Porombka den Hype um seine Veröffentlichungen. „Man sollte ihn aber infrage stellen.“ Kastberger glaubt ohnehin, dass zu Houellebecq schon lange vor Serotonin bereits alles gesagt worden sei. „Es ist ein Buch für den alten weißen Mann, also mich – aber ich fand’s auch nicht toll“, sagt er. „Warum sollte man dem widerwärtigen Protagonisten Empathie entgegenbringen? Er ist ein Schweinehund, die End- und Schwundstufe des Bildungsbürgers.“ Marie Schmidt attestiert Houellebecqs Figur dagegen eine tiefe Verlassenheit und das Bedauern darüber, dass er seinen eigenen Ansprüchen und Idealen nicht gerecht werde. „Die Impotenz des Protagonisten empfand ich als metaphorisch“, glaubt auch Wilke. „Er ist als Mann nicht mehr handlungsfähig.“ Zu ihrer Überraschung hat Wilke die erste Hälfte des Romans sogar gefallen, sie hält sein Thema zudem für durchaus relevant: Es gehe um das alte Konzept des Männlichen, das zwar überholt sei, aber eben nicht kampflos abgetreten werde. Kastberger warnt jedoch davor, die gesellschaftliche Wirkung von Serotonin zu unterschätzen: „Das Buch ist attraktiv für Leute, die genau dieses Weltbild wieder reaktivieren wollen.“ Ob das vom Autor beabsichtigt sei, hält er für unerheblich: „Die  Rechten lesen und besprechen das Buch, diese Lesart gibt es also.“

Aura Xilonen: Gringo Champ

Als nächsten Roman stellte Wiebke Porombka Gringo Champ von Aura Xilonen vor, der – von Susanne Lange – übersetzt – aktuell auch für den Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse nominiert ist. Für Porombka ist das Buch der 19-jährigen Mexikanerin ein Ereignis: „Der Plot um den jungen Mann, der es über die Grenze in die USA schafft, ist für mich eine doppelte Emanzipationsgeschichte.“ Durch seine Arbeit als Handlanger in einem Buchladen entdecke er die Literatur für sich, zugleich emanzipiere er sich aber auch auf der körperlichen Ebene als Boxer. Vor allem zeichne sich Gringo Champ durch seine besondere Sprache aus. Genau diese ist jedoch der Hauptkritikpunkt von Kastberger: „Die Mischung aus Streetslang und Trendwörtern wirkt auf mich forciert und war besonders auf den ersten 50 Seiten sehr anstrengend.“ Daran gewöhne man sich zwar, die deutsche Sprache sei für einen solchen Sound jedoch einfach nicht gemacht. „Der Witz ist ja, dass es diese mit Codes vermischte Sprache so nicht gibt“, wendet Schmidt dagegen ein. Auch sie sei anfangs skeptisch gewesen, der Roman habe aber eine besondere Stimmung sowie eine starke, präsente Körperlichkeit. Den Ausgang des Romans empfand Insa Wilke allerdings als ziemlich konservativ –  mit Bildung und Arbeit werde alles gut. Für Porombka kein Problem: „Gringo Champ ist ein Buch über die emanzipatorische Kraft des Lesens.“

Clemens J. Setz: Der Trost runder Dinge

Über Klaus Kastbergers Diskussionsvorschlag gibt es im Grunde keine Diskussion: Für alle auf dem Podium ist Clemens Setz einer der besten Schriftsteller seiner Generation. „Setz ist ein Außerirdischer, der über Graz abgeworfen wurde“, sagt Kastberger, der Der Trost runder Dinge für dessen bislang bestes Werk hält. „Es liest sich wie Science Fiction aus der Gegenwart.“ Die Geschichten seien schräg und abgehoben, aber trotzdem nicht so abgedriftet, dass man sie nicht auf unsere Kultur übertragen könne. „Setz wird oft mit Kafka oder Poe verglichen“, sagt Porombka und empfindet das als durchaus passend. „Auch seine Literatur ist oft ein Spiel mit dem Einbruch des Sonderbaren im Leben, ein Spiel mit Ängsten und Phantasien.“ Insa Wilke bringt den Kern seiner Texte mit einem Zitat von David Foster Wallace auf den Punkt, das Clemens Setz in seinem Manifest für die Literatur der Zukunft auch selbst verwendete: Man müsse mit Literatur die Bequemen verstören und die Verstörten trösten. Auch Marie Schmidt ist der Ansicht, dass Setz der beste Autor unserer Generation sei, muss aber gestehen, noch keines seiner Bücher zu Ende gelesen zu haben: „Ich bleibe immer an seinen vielen besonderen Sätzen hängen.“

Ruth Schweikert: Tage wie Hunde

Als letztes stellt Insa Wilke ein schonungslos intimes Buch zur Diskussion, über das – zu Unrecht, wie Wilke findet – in der Literaturkritik geschwiegen wurde. In ihrem Buch Tage wie Hunde setzt sich Ruth Schweikert mit ihrer eigenen Brustkrebsdiagnose auseinander. Dennoch gehe es bei dem Buch weder um Anteilnahme noch darum, Mitleid zu erregen, so Wilke. „Schweikert erkundet vielmehr, was die Krankheit mit einem selbst und mit dem Umfeld macht.“ Für Porombka war es das härteste Buch aus der Auswahl des Abends und vor allem deshalb schwer zu lesen, weil der Krebs nicht als Metapher diene, sondern rein medizinisch betrachtet werde. Die literarische Qualität des Buches stellt sie jedoch nicht infrage, vor allem hebt sie seine gelungene fragmentarische Form hervor. „Sowohl am Ende von Absätzen als auch am Schluss setzt Schweikert keine Punkte – es soll nicht enden“, so Porombkas Interpretation. Auch Kastberger war mehr als positiv überrascht von dem Roman: „Das ist kein Brustkrebstagebuch, keine Betroffenheitsliteratur, sondern ein literarisches Ereignis.“ Tage wie Hunde sei eines der reflektiertesten Bücher, das er je über eine eigene Erkrankung gelesen habe.

Zugabe!

Zum Abschluss bittet lesen.hören 13-Programmleiterin Insa Wilke das gesamte Team auf die Bühne, das in den vergangenen 17 Tagen so hervorragende Arbeit geleistet hat, entsprechend groß ist der Applaus des Publikums. Hier wäre jetzt eigentlich auch ein Fazit des Festivalbloggers angebracht – den spare ich mir aber noch auf. Ganz zu Ende ist lesen.hören 13 nämlich nicht nicht: Am 3. April kommt Die Ärzte-Drummer Bela B. mit seinem Debütroman Scharnow für eine Festival-Zugabe nach Mannheim – ein guter Grund, noch einmal ins gemütliche Turmzimmer der Alten Feuerwache zurückzukehren!

Aleida und Jan Assmann stellen bei lesen.hören 13 die Bücher ihres Lebens vor

IMG_5338Es ist zwar erst die vorletzte Veranstaltung von lesen.hören 13, allerdings die letzte, die am Abend stattfindet. Der volle Saal der Alten Feuerwache bietet Programmleiterin Insa Wilke daher die perfekte Gelegenheit für ein vorzeitiges Resümee. Wieder sei es ein so besonderes Festival geworden, dass es längst nicht mehr darum gehe, sich im Vergleich zum Vorjahr zu steigern, so Wilke. Sie spricht von magischen Momenten wie dem langen, nicht abgesprochenen Schweigen für Roger Willemsen, von der großen Resonanz des aufgeschlossenen und aufmerksamen Publikums, von der überaus positiven Rückmeldung der AutorInnen. Nicht zuletzt spricht Wilke aber auch den vielen Mitwirkenden ihren Dank aus: „Professionell sind sie auch anderswo. Die Herzenswärme im lesen.hören-Team ist jedoch ganz und gar einzigartig.“

Das Stichwort Herzenswärme nutzt Wilke dann auch, um zu den Gästen des Abends überzuleiten: Dem Forscherehepaar Aleida und Jan Assmann attestiert Wilke eine große Fülle an Lebenserfahrung und Enthusiasmus – beide stünden für eine aufrichtige Begegnung mit der Gegenwart. Moderiert von René Aguigah (Deutschlandradio Kultur) sollen die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und der Ägyptologe und Kulturwissenschaftler an diesem Abend über die Bücher ihres Lebens sprechen und anhand ihrer ausgewählten Beispiele zeigen, wie sich Leben und Lektüre miteinander verflochten haben. Warmherzig ist dann auch der langanhaltende Applaus, mit dem das Publikum die Gäste begrüßt, ein Beweis der großen Wertschätzung für das Ehepaar, das 2018 gemeinsam mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde.

Spuren früherer Lektüren

In der Begründung der Preisverleihung heißt es, das Forscherpaar habe „sich in seiner Arbeit seit Jahrzehnten wechselseitig inspiriert und ergänzt“; trotz ihrer vielen Gemeinsamkeiten trafen Aleida und Jan Assmann für diesen Abend jedoch eine gänzlich unterschiedliche Buchauswahl. Zunächst stellt Aleida Assmann einen absoluten Klassiker vor: Der Fänger im Roggen von J.D. Salinger – ein Roman, den man geradezu inhaliere, so Assmann. „Das Buch habe ich, wie man sieht, schon sehr lange in meiner Bibliothek. Es war ein Geschenk von Jan, als ich noch in die Schule ging – Jahre vor unserer Hochzeit“, erklärt sie. Das Buch trägt noch deutliche Spuren ihrer damaligen Lektüre, die Seitenränder sind mit etlichen handschriftlichen Kürzeln versehen. „So habe ich mir den Roman damals erschlossen: mit Schlüsseln und Codes“, sagt Assmann – und fügt zur Begründung ihrer Auswahl hinzu: „Der Roman war ein Code für eine ganze Generation, gab ihr eine neue Sprache.“ Den zweiten Roman ihrer Auswahl könne man, sagt sie, im Regal direkt neben Salingers Klassiker stellen: Das Herz ist ein einsamer Jäger von Carson McCullers. Doch obwohl auch dieses Buch schon lange in ihrem Regel gestanden hatte, las Assmann es erst vor einigen Jahren, als eine Studentin sich von ihr darüber prüfen lassen wollte: „Ich bin ihr so dankbar – das Buch hat mich umgehauen!“

McCullers schrieb den Roman bereits zehn Jahre vor Salinger, dennoch sieht Assmann in ihm ein Pendant zum Fänger im Roggen. Das Herz ist ein einsamer Jäger ist zwar multiperspektivisch geschrieben und erzählt von einer Kleinstadt in den amerikanischen Südstaaten, die von Gewalt und den Problemen der Rassentrennung geprägt ist, in einer der vielen Figuren – die jugendliche Mick – erkennt Assmann aber viele Parallelen zu Salingers Abweichler Holden Caulfield. „Beides sind uramerikanische Romane: Der Einzelne, der abweicht, muss gegenüber der Masse seine Ideale erkämpfen.“ 

Initialzündungen durch Bücher

Über beide Bücher hat Aleida Assmann nie professionell geschrieben, vielmehr haben sie einen hohen persönlichen Stellenwert für sie und sind dadurch zum Teil ihrer eigenen Identität geworden. „Ich habe meine Aufgabe anders verstanden als Aleida“, sagt ihr Mann Jan und erklärt daraufhin, wie er seine Auswahl für den Abend traf: „Die Bücher, die ich dagegen mitgebracht habe, prägten mich in meinem geistigen Werdegang.“ So auch Musikalische Reise ins Land der Vergangenheit von Romain Rolland, eine Aufsatzsammlung über klassische Komponisten, die Jan Assmann zu seinem elften Geburtstag geschenkt bekam. Große Literatur sei sie nicht, gibt er zu – ihr habe er allerdings seine große und lebenslange Liebe zu Georg Friedrich Händel zu verdanken. „Musik hat eine somatische Qualität“, schwärmt Assmann. „Wenn man Händel hört, spürt man es fast körperlich.“ Auch das zweite Buch seiner Auswahl war ein Geburtstagsgeschenk – jedenfalls fast. Für Väterchen steht im Einband von Karls Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, diesem wollte Assmann das Buch eigentlich zu seinem 55. Geburtstag schenken. Noch ehe er es hätte überreichen können, hatte er das Buch jedoch bereits intensiv durchgearbeitet und etliche Stellen markiert. „Früher war mein Traumberuf Komponist, darin war ich aber nicht begabt“, sagt Assmann. „Nach diesem Buch wusste ich, was ich studieren wollte – um es, wie ich als Jugendlicher damals dachte, einmal besser zu machen.“ 30 Jahre später entdeckte er das Buch akademisch wieder und veröffentlichte mit Achsenzeit 2018 sogar ein eigenes Buch über den Klassiker von Jaspers. Auch für Aleida Assmann hat Karl Jaspers eine so große Bedeutung, dass sie ihn gemeinsam mit ihrem Mann ins Zentrum ihrer Dankesrede zum Friedenspreis stellte. „Ich schätze ihn aufgrund seiner Kritik an unserem eurozentrischen und überheblichen Weltbild“, so die Wissenschaftlerin. Es sei unsere große Aufgabe der nächsten Jahre, Europa in eine globalisierte Welt zu überführen. 

„Da ist uns eine ganze Welt zugewachsen“

Die nächsten Romane ihrer eigenen Auswahl – Vielleicht Esther von Katja Petrowskaja sowie Engel des Vergessens von Maja Haderlap – setzt Aleida Assmann abermals miteinander in Verbindung, wie sie es anfangs bereits mit Salinger und McCullers tat. Beide Autorinnen schrieben den Roman auf Deutsch und damit nicht in ihrer Muttersprache, beide lasen beim Bachmannpreis in Klagenfurt, beide beschäftigen sich in ihren Büchern mit der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts. Dennoch gibt es einen großen Kontrast zwischen beiden Romanen: Während in Vielleicht Esther eine Familiengeschichte anhand weniger Fragmente rekonstruiert wird, ist es in Engel des Vergessens dagegen eine Überfülle an Erinnerungen, mit der sich die Protagonistin konfrontiert sieht. 

Auch das letzte Buch, über das an diesem Abend ausführlich gesprochen wird, hat etwas mit Erinnerung zu tun – und zwar die des Ehepaars Assmann an den 1987 verstorbenen Religionssoziologen, Philosophen und Judaisten Jacob Taubes. Gemeinsam gaben sie nach dessen Tod das redigierte Transkript seiner letzten Vortragsreihe als Buch heraus. Als Basis für Die politische Theorie des Paulus dienten lediglich Tonbänder der Vorträge und Diskussionen in schlechter Qualität. „Monatelang saß Aleida mit Kopfhörern am Schreibtisch“, erinnert sich Jan Assmann. „Sie hat es verstanden, die besondere Diktion von Taubes wiederzugeben.“ Es gibt aber nicht nur einen wissenschaftlichen Grund, weshalb er diese Veröffentlichung als eines der Bücher seines Lebens ausgewählt hat. „Die Begegnung mit Jacob Taubes hat unser beider Leben umgekrempelt. Er hat uns die Spur des Jüdischen in der europäischen Geistesgeschichte vor Augen geführt – da ist uns eine ganze Welt zugewachsen“, so Assmann. 

Für die restlichen Bücher, darunter Thomas Manns Joseph und seine Brüder, blieb am Ende des Abends nur noch Zeit für Kurzvorstellungen – und das aus einem einfachen Grund: Wenn Aleida und Jan Assmann ins Reden kamen, wollte niemand – einschließlich des Moderators René Aguigah – auf die Uhr schauen. Und das war auch gut so: Wenn die Bücher eines Lebens tatsächlich einen Teil der persönlichen Identität bilden, haben Aleida und Jan Assmann dem Publikum einen tiefen Einblick in ihr Innerstes geschenkt. An diesem Abend ging es schließlich nicht einfach nur um Bücher. Sondern um das, was sie in einem Menschen, in einem Leben bewegen können.