Fake news

Fake News #2

IMG_1850Und schon ist es wieder eine Woche her, seit ich vollkommen erschöpft, aber glücklich von der Frankfurter Buchmesse zurückgekehrt bin. Vier lange Tage und umso längere Nächte mit unzähligen tollen Begegnungen haben mir wieder bestätigt, dass es die großartigste Branche der Welt ist – und dass ich eigentlich gar nicht wegen der Bücher zur Messe fahre, sondern wegen der Menschen, die sie machen und die für sie brennen.

Okay, ein Buch stand dann diesmal doch im Zentrum für mich: Dank meiner Lesungen aus Fake auf der Leseinsel der Unabhängigen Verlage und bei Open Books sowie meinem Interview bei detektor.fm war es 2019 natürlich eine ganz besondere Buchmesse für mich. Einige Eindrücke der vier Tage in Frankfurt habe ich drüben bei Instagram geteilt.

Aber auch sonst ist seit dem letzten Update eine Menge passiert: Ich kann immer noch kaum fassen, wie oft Fake nun schon – und das auch noch durchweg positiv! – besprochen wurde. Ganz besonders freue ich mich natürlich über Lob von Menschen, deren Urteil ich auch als Leser schon seit Langem vertraue – so zum Beispiel von Uwe Kalkowski auf Kaffeehaussitzer, Mareike Fallwickl auf Bücherwurmloch oder Stefan Stefan Diezmann auf Poesierausch. Und das sind nur einige der vielen positiven Reaktionen auf meinen Roman, die ich bislang lesen durfte. Es kommt aber nicht nur auf die Kritiker an, sondern auch auf diejenigen, die Bücher mit viel Engagement und Herzblut an die Leser bringen – entsprechend stolz bin ich darum auf die lobenden Worte von Frank Menden von der Buchhandlung stories! in Hamburg und Hauke Harder von der Kieler Buchhandlung Almut Schmidt auf seinem Blog Leseschatz. 

Lesungen

72755320_2489914487959987_3922330160962994176_oEines habe ich bei meiner Premiere in der Stuttgarter Stadtbibliothek und den beiden Lesungen in Frankfurt gemerkt: Es macht mir wahnsinnig Spaß, aus diesem Buch zu lesen! Deshalb freue ich mich schon auf meine Lesung während der Buchwoche in Bienenbüttel nächste Woche – und auf hoffentlich viele weitere Lesungen aus dem Roman. Fest stehen bereits Termine in Stuttgart und Berlin im Dezember sowie eine Lesung in Frankfurt Ende Januar. Auch zur Leipziger Buchmesse darf ich noch einmal mit Fake anreisen – aber bis dahin wird, da bin ich mir sicher, noch so einiges passieren. Und das ist, ich kann es nicht anders sagen, nach dem langen Weg hierhin verdammt großartig!

Fake News #1

rudkoffsky_fake-vorschau-coverEinen Monat ist mein zweiter Roman Fake nun schon draußen – und zu meiner großen Freude ist er dabei schon ganz schön rumgekommen. Vor allem bin ich aber auch erleichtert – offenbar habe ich da tatsächlich ein ganz gutes Buch geschrieben. Sicher war ich mir da nicht: ein Mann, der aus der Sicht einer Frau über ein so sensibles Thema wie Mutterschaft schreibt, obendrein Figuren, die moralische Grenzen überschreiten und Falsches tun, aber trotzdem Empathie beim Leser wecken sollen – das hätte böse schiefgehen können. Auch angesichts der (trotz vieler positiver Rückmeldungen) recht zähen Verlagssuche wusste ich nicht, ob ich mich mit diesem Roman nicht verhoben habe. Umso schöner ist es dann, von Ocelot-Buchhändlerin Maria-Christina Piwowarski in ihrem Podcast blauschwarzberlin einen Satz wie diesen zu hören: „Ein großartiges Buch! Ich möchte Voland & Quist preisen und lieben, dass sie es gemacht haben!“

Die Begeisterung, mit der Piwowarski über Fake spricht, hat mich wahnsinnig gefreut. Und tollerweise steht sie mit ihrer Meinung nicht alleine da: Ob beim unfassbaren Auftakt mit Spiegel Online, in wunderbaren Blogbesprechungen wie der von Sophia Weigand auf Literaturen oder Tweets vom Zeit-Redakteur Christian Fuchs („Das Netzwerk der Neuen Rechten“) – bislang habe ich ausschließlich positives Feedback auf Fake bekommen. Gesammelte Zitate und Links zu den vielen Besprechungen findet ihr hier! Außerdem habe ich mit der Kreiszeitung Wesermarsch in meiner Heimatstadt Nordenham über den Roman gesprochen – hier geht’s zum Artikel.

Nächste Woche ist Premiere!

Ab nächster Woche darf ich die Reaktionen auf meinen Roman endlich auch live erleben – am 9. Oktober findet, moderiert von der großartigen Caroline Grafe, in der Stadtbibliothek Stuttgart die Premierenlesung von Fake statt. Eine Woche später geht es dann auch schon auf die Frankfurter Buchmesse – dort spreche ich am Freitag um 13 Uhr bei detektor.fm über den Roman und lese am Samstag sowohl um 12:30 auf der Leseinsel der Unabhängigen Verlage als auch um 17:00 bei Open Books im Stadthaus. Ich freue mich auf jede Buchmesse, auf diese aber natürlich ganz besonders!

Übrigens: Wer Lust hat, sich mit mir direkt über Fake zu unterhalten, kann sich noch sechs Tage lang für die Leserunde bei Lovelybooks bewerben und eines von zehn Büchern ergattern – ich freue mich auf den Austausch!

Schlecky Silberstein rechnet bei lesen.hören 13 mit dem Internet ab

IMG_5265„Viele meiner Zuhörer stellen anschließend überrascht fest: Ich habe kein einziges Mal gelacht“, sagt der Blogger und Comedy-Autor Christian Brandes alias Schlecky Silberstein einmal ironisch während der Lesung. Das stimmt an diesem Abend in der Alten Feuerwache zwar nicht ganz – aber so lustig wie erwartet ist die Lesung aus seinem Buch Das Internet muss weg tatsächlich nicht. Dafür ist Silberstein sein Anliegen auch viel zu ernst: „Das Medium, dem ich alles zu verdanken habe, ist irreparabel kaputt.“ Eine ziemlich brutale Diagnose. Aber Silberstein steht nicht gerade im Verdacht, ein rückwärtsgewandter Fortschrittsgegner zu sein, schließlich ist er das, was man einen digital native nennt, er ist mit dem und durch das Internet groß geworden. Für ihn ist es die größte Errungenschaft seit Erfindung des Rads – „in 100.000 Jahren wird man sagen: das war die große Zeitenwende der Menschheit“. Und das soll jetzt einfach weg, wie sein Buchtitel plakativ einfordert? Natürlich nicht, erklärt Silberstein. „Nicht das Internet muss weg, sondern die aktuelle Version davon – und die begann am 9.2.2009 mit der Einführung des Facebook-Likes.“

Ist es umsonst, bist du das Produkt

Eine große Gemeinsamkeit vieler Dystopien in Romanen oder Filmen sei, dass die Welt in ihnen von Konzernen regiert werde. Genau das treffe bereits auf unsere Gegenwart zu, in der Unternehmen wie Facebook, Google oder Apple eine enorme Machtfülle besäßen. „Weil sie hauptsächlich mit unseren Daten Geld verdienen und ständig neuen Rohstoff brauchen, hat sich die Architektur des Internets grundlegend verändert“, sagt Silberstein. Was den Datenhunger betreffe, gebe es eine einfache Faustregel: „Wenn ein Dienst nichts kostet, bist du das Produkt.“ Soziale Netzwerke funktionieren deshalb wie Kasinos, sie sollen gezielt Abhängigkeit erzeugen, damit ihre Nutzer durch ständige Interaktionen möglichst viele Daten preisgeben. Silberstein vergleicht die Wirkung des Like-Buttons mit Tierexperimenten – etwa mit Tauben, die umso öfter den Auslöser ihrer Futterstation betätigen, wenn die Futterausschüttung nicht garantiert ist. „Ein Statusupdate ist mit der Erwartung von Resonanz verbunden. Weil viele Likes nicht selbstverständlich sind, wird umso mehr Dopamin in unserem Belohnungszentrum ausgeschüttet, wenn ein Beitrag gut ankommt“, erklärt Silberstein. Diese Form des Brainhackings führe geradewegs in die Sucht – und zwar mit Vorsatz.

Abhängig von permanenter Resonanz sind aber nicht nur einfache User, sondern auch Journalisten. Gerade Online-Redakteure wollen immer die ersten sein, die eine Geschichte bringen, allein schon, weil sie dann mit Abstand die meisten Klicks generieren. Das hat Folgen für den Journalismus. Trendtools mit automatisierter Stichwortsuche bestimmen zunehmend, über was berichtet wird. „Deshalb schreiben alle das Gleiche, Themen werden geritten und nicht mehr gesetzt.“ Dadurch steige auch Risiko von Falschmeldungen oder schlecht recherchierter Artikel, was Silberstein am Beispiel der Meldung ausführt, in Schweden bräuchten Menschen vor dem Sex nun per Gesetz das formelle Einverständnis des anderen. Tatsächlich ging es dabei bloß um eine Selbstverständlichkeit – nämlich einvernehmlichen Sex. Die zehntausendfach geteilte übertriebene Auslegung einer Lokalzeitung führte binnen kürzester Zeit zu immer abstruseren Varianten bis hin zur „schriftlichen Einverständniserklärung“ bei Focus Online.

Wut ist die viralste Emotion

Auch die Debattenkultur habe sich durch die Mechanismen sozialer Netzwerke massiv verändert, sagt Silberstein. „Durch die ständige Empörung leben wir in einer Zeit der Hysterie. Das liegt aber nicht an uns. Diese Hysterie ist ein wichtiges Werk von Unternehmen.“ Angst sei für die Menschheit ein evolutionärer Vorteil gewesen, so lange es ums nackte Überleben ging. Jetzt sorge dieser Instinkt jedoch dafür, dass wir schlechten Nachrichten und negativen Emotionen deutlich mehr Aufmerksamkeit schenkten. Die Algorithmen sozialer Netzwerke nutzen das gezielt aus – was inzwischen selbst Wahlen entscheiden kann. „Studien belegen das: Wut ist die viralste Emotion. Kein Wunder also, dass rechtspopulistische Parteien die mit Abstand höchsten Interaktionsraten haben“, so Silberstein. Differenzierte Informationen seien dagegen reines Reichweitengift. Das bekam er nach einer missglückten Satire-Aktion auch selbst zu spüren. Silberstein stellte eine Nachrichtenseite mit erfundenen Horrormeldungen über Straftaten von Flüchtlingen ins Netz. Wer die Artikel anklickte, bekam jedoch stattdessen eine ironische Aufklärung über die Gefahr von Fake News zu lesen. Tatsächlich klickte aber nur jeder elfte den Link an, stattdessen wurden die erfundenen Meldungen bloß tausendfach in rechten Netzwerken geteilt. Nach nur anderthalb Wochen nahm Silberstein die Seite wieder vom Netz – weil sie zu erfolgreich war.

Auch die „richtige“ Empörung kann falsch sein

Sind die Menschen also schlechter geworden? „Die Rückwärtsgewandten gab es immer“, glaubt Silberstein. Sie seien jetzt lediglich miteinander vernetzt. „Vor dem Internet glaubten wir, in den Medien ein Abbild unserer Gesellschaft zu sehen. Tatsächlich zeigten sie aber nur das Weltbild der Medienschaffenden, die nun mal eher progressiv und liberal sind.“ Aber auch die Empörung auf der anderen Seite ist für Silberstein ein Teil des Problems, darum kritisiert er etwa die die aktuellen Debatten um den Karneval und politische Korrektheit. „Selbst wenn man Recht hat: Durch die ständige Zurechtweisung der anderen und Zurschaustellung der eigenen moralischen Überlegenheit werden gesellschaftliche Gräben unüberwindbar.“ Ein besonderes Problem sieht Silberstein bei Shitstorms auf Twitter: „Die Massenempörung gegenüber einem einzelnen hat ja in Wirklichkeit einen ganz anderen Adressaten – nämlich die eigenen Follower, denen man zeigen will, welche Werte man vertritt“, so Silberstein. Shitstorms seien ein typisches Beispiel für die Aufmerksamkeitsökonomie, die durch die Mechanismen sozialer Netzwerke entstanden sei.

Aufmerksam bleiben die vielen Zuhörer in der Alten Feuerwache auch ohne die vielen Gags, die manche vielleicht erwartet hätten. Schlecky Silberstein widmet sich seinem Thema zwar fundiert und mit dem nötigen Ernst, macht das aber zugleich so locker und unterhaltsam, dass ihn das Publikum mit anhaltendem Applaus um eine Zugabe bittet. Und der ist womöglich sogar lauter als sonst: Nicht wenige dürften den reflexartigen Griff zum Smartphone nach Silbersteins Ausführungen gescheut haben. Zumindest für einen kurzen Moment. Andererseits: So ein Foto von Schlecky Silberstein aus der Nähe – das bringt sicher viele Likes, oder?