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Neues aus der Mittnachtstraße #1

Rudkoffsky_Mittnachtstrasse_CoverKnapp zwei Monate ist mein dritter Roman Mittnachtstraße nun schon draußen – und ich könnte mit der bislang durchweg positiven Resonanz kaum zufriedener sein. Aber obwohl sich meine diesjährige Lesereise nach sieben schönen Terminen in ganz Deutschland so langsam dem Ende neigt, habe ich das Gefühl, dass es eigentlich gerade erst losgeht. Da stehen nämlich noch so einige Highlights an: Am Mittwoch, dem 16.11., lese und diskutiere ich beim Themenabend Brüchige Männlichkeit gemeinsam mit Heinz Helle („Wellen“) und Joachim Zelter („Professor Lear“) im Literaturhaus Stuttgart, moderiert von der fabelhaften Carolin Callies. Im Dezember nehme ich die Mittnachtstraße noch einmal nach Potsdam zur Lesereihe „Lecker Lesen“ mit, ehe dann im Januar ein ganz besonderer Abend folgt: Nachdem ich Mareike Fallwickl im Oktober bei ihrer Lesung aus „Die Wut die bleibt“ vor vollem Haus in der Stadtbibliothek Stuttgart moderieren durfte, drehen wir den Spieß nun für ein Rückspiel am 26. Januar um – und Mareike reist extra an, um meine erste Stuttgarter Sololesung aus Mittnachtstraße zu moderieren! Warum das so gut passt? Am besten ihr lest einfach, was sie Tolles über meinen Roman geschrieben hat!

Überhaupt wurde in den vergangenen Monaten schon so einiges Schönes über Mittnachtstraße geschrieben. Neben vielen positiven Stimmen auf Instagram wurde der Roman kürzlich auch sehr wohlwollend im Büchermarkt auf Deutschlandfunk besprochen oder im Stadtmagazin LIFT von Klett-Cotta-Autor Kai Wieland vorgestellt. Über ein Lob freue ich mich aber ganz besonders: „Einer meiner liebsten Romane in diesem Jahr“, schreibt nämlich der Hamburger Buchhändler Frank Menden über Mittnachtstraße – und das will angesichts seines diesjährigen Lesepensums als Jurymitglied für den Deutschen Buchpreis etwas heißen! Nur den Konjunktiv im Hinterkopf lasse ich diesbezüglich vielleicht besser bleiben…

Zugegeben: Das ist eine ganze Menge Euphorie für einen Beitrag – eine Sache wäre da aber noch, über die ich mich in dieser Woche wirklich gefreut habe: Jana Gäng hat über mich im Kulturressort der Stuttgarter Zeitung nämlich ein sehr schönes und treffendes Vor-Ort-Porträt an den Romanschauplätzen im Stuttgarter Norden geschrieben. Vielen Dank dafür!

Unterwegs mit und ab der Mittnachtstraße

Photography

„Einige zentrale Schauplätze dieses Romans sind real oder an reale Orte in Stuttgart angelehnt“, heißt es im Vorfeld meines Romans Mittnachtstraße. Gemeint sind dabei vor allem ein Kleingartenverein beim Stuttgarter Nordbahnhof sowie das preisgekrönte Urban Gardening Projekt Stadtacker und die Container City in dessen unmittelbarer Nachbarschaft. Wo im Roman die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verlaufen und warum ich mich bei meiner Geschichte für dieses Setting entschieden habe – diese Fragen sollen, moderiert von der Stuttgarter Kulturvermittlerin Sara Dahme, am Samstag im Zentrum eines literarischen Stadtteilspaziergangs entlang der Romanschauplätze stehen. Nach mehreren kurzen Lesestationen und einer längeren beim Stadtacker wird es zum Abschluss in der Container City die Möglichkeit geben, bei einem Getränk miteinander ins Gespräch zu kommen. Treffpunkt ist die U-Bahn-Haltestelle Mittnachtstraße um 16 Uhr – Anmeldungen unter sven.hassel@voland-quist.de. Bei schlechtem Wetter findet die Lesung alternativ beim Kultur Kiosk im Züblin Parkhaus statt.

Warmlaufen darf ich mich allerdings schon einen Tag früher. Dann bin ich nämlich auf Einladung von Carolin Callies zu Gast bei der schönen Lesereihe Flaneure und Flaneusen in Ladenburg bei Mannheim. Nächste Woche geht es dann schon – oder endlich! – zur Frankfurter Buchmesse, wo ich am Mittwoch um 14 Uhr beim Literaturbahnhof aus Mittnachtstraße lesen darf. Eine Woche später, am 26.10., stelle ich meinen Roman dann beim Literaturherbst Krumbach vor, ehe ich mich nach einer kurzen Pause auf meine erste Lesung im Literaturhaus Stuttgart freuen darf: Gemeinsam mit den Autoren Heinz Helle und Joachim Zelter lese ich am 16. November beim Themenabend Brüchige Männlichkeit aus Mittnachtstraße und diskutiere im Anschluss über die Themen unserer Romane.

„Mittnachtstraße“ bei SWR2-Lesezeichen

IMG_5971Was für eine tolle erste Vorstellung von Mittnachtstraße! Für die Sendung Lesezeichen traf mich SWR2-Redakteurin Silke Arning zum Interview an den Schauplätzen des Romans beim Stuttgarter Nordbahnhof. Der Stuttgarter Norden ist ein besonderer Ort, heißt es in ihrem sehr treffenden Beschreibungstext zum Radiobeitrag. Auf engstem Raum treffen hier verschiedene Welten aufeinander: Kleingartenanlage und wildes Urban Gardening, Container-Dorf der freien Kunstszene und eine Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus. In diesem Nebeneinander von Geschichte und Gegenwart verortet der Stuttgarter Autor, Literaturblogger und Literaturstipendiat des Landes Baden-Württemberg Frank Rudkoffsky seinen neuen Roman „Mittnachtstraße“. Mit scharfem und unerbittlichem Blick seziert er Befindlichkeiten und Generationenkonflikte.

In ihrem – wie ich finde, wirklich gelungenen – Beitrag schildert Silke Arning ihre Eindrücke vom Setting des Romans und befragt mich zu dessen zentralen Motiven. Das Fazit ihrer Buchvorstellung freut mich natürlich ganz besonders: „Mittnachtstraße ist ein beeindruckender Roman […]. Als intellektueller Autor lotet Frank Rudkoffsky die Untiefen seiner Figuren aus. Für die Männer in dieser Geschichte gibt es kein Entkommen.“

Hier könnt ihr euch den ganzen Beitrag anhören!

Endstation: Mittnachtstraße

Eigentlich ging es diesmal ja sehr viel schneller als sonst: Nach ziemlich genau einem Jahr zwischen Lockdowns und Schreibmarathons sowie einer ungefähr genauso langen Konzeptphase habe ich Ende Februar den letzten Punkt unter meinen dritten Roman Mittnachtstraße gesetzt. Trotzdem konnte ich kaum erwarten, dass ihr das Buch endlich lesen könnt und ich damit auf die Bühne darf. Und nun ist es tatsächlich soweit: Die nächste Woche dürfte mit der Buchpremiere in Berlin am Mittwoch, der Veröffentlichung bei Voland & Quist am Donnerstag und der Hamburg-Lesung am Freitag ein einziger Endorphinrausch werden – zumal „Mittnachtstraße“ am Samstag dann auch gleich bei Lesezeichen auf SWR2 vorgestellt wird!

Ich hoffe, ich darf viele von euch bei meinen ersten Lesungen aus dem Roman sehen – und wünsche euch viel Freude beim Lesen meines so schön gewordenen Buches!

„Mittnachtstraße“ erscheint in einem Monat!

haltestelle mittnachtstrasseSo langsam bin ich aufgeregt: In etwas mehr als einem Monat erscheint bei Voland & Quist mein dritter Roman Mittnachtstraße – und tatsächlich war ich noch nie so stolz auf ein Buch, das ich geschrieben habe.

Es geht um so vieles in diesem Roman. Es geht um Söhne und Väter und darum, wie schwer es ist, Prägungen loszuwerden, die tiefer sitzen, als uns das lieb ist. Darum, dass wir alle vermeiden wollen, die Fehler unserer Eltern zu wiederholen, ihnen, je älter wir werden, aber trotzdem immer ähnlicher werden. Es geht um die generationenübergreifenden Verheerungen, die toxische und fragile Männlichkeit anrichten, um alte weiße Männer und einen Kleingartenverein im Generationenkonflikt, um Demenz und die Frage, ob eine Bürde auch zu groß sein kann, um sie anzunehmen. Es geht um einen Familienvater, der sich selbst für einen guten Menschen hielt, einen besseren als seinen Vater – und der von seinem eigenen Sohn als Heuchler entlarvt wird. Es geht um einen Mann, der sich so tief in Schuld verstrickt, dass er sich vor seiner Familie versteckt, und um seinen zweifelhaften Versuch, sich als „Weißer Retter“ wieder reinzuwaschen. Es geht um die Frage, was einen guten Menschen, einen guten Mann ausmacht – und was das mit der sozialen Frage zu tun hat. Es geht um eine heimliche Liebe zu Büchern und darum, was wir alles tun, um anerkannt zu werden. Es geht um den Nordbahnhof in Stuttgart zwischen altem Eisenbahnerviertel und Subkultur. Es geht um Depressionen und um Alkohol. Es geht um eine Tantramassage mit unerwartetem Ausgang. Es geht um die Klimakrise und Gratismut. Es geht um eine Schnecke, einen Hund und einen Vogel und die Hoffnung, dass zumindest eines dieser Tiere gerettet werden kann. Es geht, weil der Roman 2020 spielt, (am Rande) auch um die Pandemie. Es gibt zum ersten Mal in einem meiner Bücher einen echten Antagonisten, aber auch die schmerzhafte Erkenntnis, sich in Wahrheit selbst der größte Feind zu sein.

Ich habe beim Schreiben mancher Szenen herzhaft gelacht, bei anderen aber auch zum ersten Mal ernsthaft weinen müssen. Genau darum ich bin wirklich sehr gespannt, was mein Roman Mittnachtstraße mit euch machen wird. Und zwar ab dem 15. September!

Mittnachtstraße: Erste Termine und Leseprobe

Noch ist es ein bisschen hin, bis mein dritter Roman Mittnachtstraße am 15. September bei Voland & Quist erscheint – vorbestellen könnt ihr ihn aber schon jetzt! Ein Grund mehr zur Vorfreude auf den Herbst: Auch die ersten Lesungstermine stehen inzwischen fest. Premiere feiert der Roman am 14.9. in Berlin, zwei Tage später darf ich zum ersten Mal (und endlich) in Hamburg lesen – für die Veranstaltung im Kulturschloss Wandsbek gibt es sogar schon Tickets. So richtig voll wird’s dann im Oktober: Nach der Stuttgart-Premiere im Literaturhaus am 4.10. darf ich einen Tag später als kleine Zwischenstation die Rollen tauschen und in der Stadtbibliothek Stuttgart die Lesung von Mareike Fallwickl aus Die Wut, die bleibt moderieren, ehe ich am 6.10. in der Buchhandlung Sedlmair in Georgsmarienhütte aus Mittnachtstraße lese. Etwas Besonderes wird sicher, was wir am 15. Oktober in Stuttgart vorhaben: Moderiert von der Kulturvermittlerin Sara Dahme, plane ich einen Spaziergang mit Lesestationen an realen Handlungsorten des Romans – von der Haltestelle Mittnachtstraße beim Nordbahnhof geht’s weiter zu einer Eisenbahnerkneipe und anschließend in Richtung Kleingartenverein, Stadtacker und Container City. Details folgen bald! Ein paar Tage später geht’s dann auch schon mit der Frankfurter Buchmesse los – und für die kann ich zumindest schon mal einen Termin nennen: Am Mittwoch, dem 19.10. lese ich um 15 Uhr beim LiteraturBahnhof Frankfurt. Und kaum habe ich mich einigermaßen vom Messetrubel erholt, geht es auch schon weiter: Am 26.10. stelle ich Mittnachtstraße beim Literaturherbst Krumbach vor.

Alle bisher bestätigten und kommenden Lesungen findet ihr bei meinen Terminen und natürlich auch auf der Seite von Voland & Quist. Dort gibt’s mittlerweile auch die ersten beiden Kapitel des Romans als Leseprobe – die sorgt hoffentlich dafür, dass nicht nur meine Vorfreude auf den Herbst groß ist!

„Mittnachtstraße“ erscheint im September!

Cover_Mittnachtstraße_Frank RudkoffskyKonfetti! Seit heute ist sie draußen, die Herbstvorschau meines Verlags Voland & Quist – und endlich darf ich euch mehr über meinen dritten Roman Mittnachtstraße erzählen, der im September erscheinen wird:

„Eigentlich zählte sich Malte immer zu den Guten. Nun aber hat sich der Familienvater selbst ins Exil verbannt und versteckt sich ausgerechnet an dem Ort, den er am meisten verachtet: im verwahrlosten Kleingarten seines eigenen Vaters. Der Job als Journalist hat ihn ausgebrannt, die Ehe steckt in einer Krise und sein Sohn schimpft ihn bloß noch einen Heuchler. Noch schwerer wiegt jedoch etwas anderes: Um sich vor der Verantwortung für seinen cholerischen, demenzkranken Vater zu drücken, hat Malte sich auf einen fragwürdigen Deal eingelassen – mit katastrophalen Folgen.

Ein Roman über das durchsickernde Gift toxischer Männlichkeit von einer Generation zur nächsten und einen Mann, der erst unter Schmerzen lernen muss, was es heißt, wirklich Verantwortung zu übernehmen – als Vater, als Partner, als Sohn.“

Und worum es wirklich, bringt vermutlich niemand besser auf den Punkt als meine Testleserin Mareike Fallwickl, deren tollen Blurb ich am liebsten einrahmen würde: „Frank Rudkoffsky ist ein Meister der Entlarvung. Vordergründig erzählt er von einer Familie und einer Kleingartensiedlung, in Wahrheit geht es um so viel mehr: toxische Männlichkeit und fragile Egos, Machtstrukturen und Seilschaften, die Implosion des Einzelnen und die Frage, was es bedeutet, ein guter Mensch zu sein. Ist das in Zeiten wie diesen überhaupt noch möglich? Ein herrlich bissiges, wütendes und kluges Buch, das aktueller nicht sein könnte. Lest es, wenn ihr mutig seid!

Danke fürs frühe Mitlesen, dein konstruktives Feedback und die lieben Worte, Mareike!

Aber weil ein Buch natürlich noch lange keinen Herbst macht, werft unbedingt auch einen Blick auf das tolle Programm, das Voland & Quist da mal wieder auf die Beine gestellt haben!

Geschafft!

ManuskriptFreude zu empfinden: Das ist dieser Tage gar nicht mal so einfach. Vielleicht spüre ich deshalb stattdessen gerade eher so etwas wie Erleichterung. Heute ist es genau ein Jahr her, seit ich die ersten Zeilen meines dritten Romans Mittnachtstraße schrieb. Es folgten ein langer Lockdown mit Schulschließung, mehrere Quarantänen, teils wiederholte Covid-Infektionen in der Familie – und dann ja auch noch diverse Schulferien und die ganz normalen Betreuungsausfälle, mit denen Eltern sich herumschlagen müssen. Keine einfachen Bedingungen, um einen Roman zu schreiben. Und trotzdem habe ich es geschafft: Vor zwei Tagen setzte ich das Wort Ende unter das Manuskript. Nun bin ich zwar nach einem Jahr voller Druck und Hindernisse bis auf auf die Knochen erschöpft, vor allem bin ich aber erleichtert – und ziemlich stolz. Darüber, dass ich es geschafft habe. Und noch viel mehr darüber, was ich da geschafft habe. Mittnachtstraße ist alles geworden, was ich mir von von dem Roman erhofft habe – aber darüber hinaus auch noch so viel mehr. Deshalb kann ich es kaum erwarten, euch bald mehr über das Buch zu erzählen. Und natürlich, dass ihr es lest: in diesem Herbst bei Voland & Quist!

Übrigens gab es dann am Tag der Fertigstellung dann doch noch einen Moment, in dem ich zumindest kurz die Weltlage vergessen und Freude empfinden konnte: Abends erreichte mich nämlich die Nachricht, dass der Förderkreis Deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg meine Arbeit an Mittnachtstraße – die natürlich längst noch nicht zu Ende ist – mit einem Stipendium fördert!

Jahresstipendium 2021!

Dieses Jahr hat mich oft an meine Grenzen gebracht und gelegentlich auch darüber hinaus – aber ich habe da so ein Gefühl, dass das nächste ein besseres werden dürfte: Ich bin überglücklich darüber, dass mir das Land Baden-Württemberg für 2021 ein Jahresstipendium für Literatur verliehen hat: „Frank Rudkoffsky überzeugte die Jury mit seinem Roman Fake. Es werde das Bild einer Generation gezeichnet, der scheinbar alle Türen offen stünden und die doch an einer inneren Leere und steigendem Druck von außen zu scheitern drohe, so die Jury.“ Hier lest ihr die ganze Pressemitteilung!

Herzlichen Dank an die Jury und Glückwunsch an meine großartigen MitstipendiatInnen Cihan Acar, Theres Essmann und Valentin Moritz!

Buchtipps zum Sommer

Normalerweise empfehle ich auf den Literaturseiten des Stuttgarter Stadtmagazins LIFT  jeden Monat kurz und knackig drei aktuelle Bücher. Zur Urlaubszeit durften es nun ausnahmsweise ein paar mehr sein:

serpentinenOlivia Wenzel: 1000 Serpentinen Angst

Einen Namen hat Olivia Wenzels queere Ich-Erzählerin nicht. Mit ihrer Identität kämpft sie trotzdem – im Roman heruntergebrochen auf das „dreifache Bananenproblem“: Isst sie eine Banane, weckt das bei anderen Assoziationen, weil sie a) eine Frau, b) ostdeutsch und c) Schwarz ist. Dass ihre weiße Oma trotzdem AfD wählen will, ist nur einer der vielen Widersprüche, mit denen sich Wenzels Protagonistin in permanenter Selbstbefragung auseinandersetzt. Denn als Schwarze wird sie einerseits immer wieder mit Rassismus konfrontiert, andererseits weiß sie um ihre Privilegien als Deutsche, die einfach mal so in die USA reisen kann. 1000 Serpentinen Angst ist nicht nur ein clever konzipiertes Romandebüt – es ist auch das Buch der Stunde. [S. Fischer, 349 S., € 21,-]

sarahScott Mc Clanahan: Sarah

Selbst wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was er in seinem semi-autobiografischen Roman Sarah schreibt, ist Scott Mc Clanahan ein ziemlicher Idiot. Einer, der theatralisch den Familien-PC zerstört, als seine Frau Sarah die Pornos darauf entdeckt – und damit auch alle Kinderbilder auf der Festplatte vernichtet. Oder der heimlich beim Autofahren säuft und dabei ganz vergisst, dass seine Kinder auf der Rückbank sitzen. Obwohl er und Sarah einander lieben, zerstört der unreife Scott erst ihre Ehe und anschließend fast sich selbst – etwa bei einem tragisch-lächerlichen Suizidversuch mit Kinderschmerzmitteln. Doch trotz aller Komik: Immer wieder bringt Mc Clanahan diese schmerzhaft-ehrlichen Sätze, die einem beim Lesen sofort das Herz brechen. [ars Vivendi, 206 S., € 22,-]

fehlstartMarion Messina: Fehlstart

Ihr gefeierter Debütroman brachte Marion Messina schnell Vergleiche mit dem zynischen Starautor Michel Houellebecq ein. Auch sie leuchtet in gnadenloser Schärfe und Klarheit das soziale Gefälle Frankreichs aus und spart dort, wo es nötig ist, nicht an Härte. Anders als der alte weiße Mann der französischen Literatur bringt Messina jedoch echte Empathie für ihre Figuren auf, allen voran für die 19-jährige Aurélie, die nach dem Scheitern ihres Studiums und ihrer ersten Liebe nach Paris zieht – und dabei erkennen muss, wie schal das Versprechen von sozialem Aufstieg für ihre Generation längst geworden ist. Ein entwaffnend ehrlicher Roman über das Versiegen der Hoffnung, es einmal besser zu haben als die eigenen Eltern. [Hanser, 168 S., € 18,-]

paradeDave Eggers: Die Parade

Für Straßenbauer Vier ist es ein Routineauftrag – und doch ist er so gefährlich, dass weder er noch sein neuer Kollege Neun den echten Namen des jeweils anderen kennen dürfen. Mitten im Nirgendwo auf sich allein gestellt, bauen sie eine neue Straße durch ein namenloses Entwicklungsland, das nach einem blutigen Bürgerkrieg wieder zusammenwachsen soll. Doch während Vier stoisch seiner Pflicht nachgeht, sucht Neun lieber das Abenteuer und den Kontakt zu Einheimischen. Schon bald geht es für sie nicht mehr nur um das Vertrauen zu Fremden und die Frage nach den moralischen Fallstricken von Entwicklungshilfe – sondern auch um Leben und Tod. Eine kluge und differenzierte Parabel, vor allem aber ein echter Pageturner und der beste Eggers-Roman seit Ein Hologramm für den König. [Kiepenheuer & Witsch, 192 S., € 20,-]

KANDASAMY_Schlaege_Cover_CMYK_300dpiMeena Kandasamy: Schläge

Sie eine wissbegierige Studentin, er ein linker Uni-Dozent: Was wie eine indische Liebesgeschichte beginnt, wird schnell zum Albtraum, als Meena nach der Hochzeit mit ihrem Mann in eine ferne Küstenstadt zieht – und dort von ihm eingesperrt, von der Außenwelt abgeschnitten und misshandelt wird. Die Feder sei mächtiger als das Schwert, heißt es in einem Sprichwort. Tatsächlich ist Literatur die einzige Waffe, die Meena in ihrer gewalttätigen Ehe bleibt – Sprache dient ihr ebenso als Zuflucht wie als Instrument zur Selbstermächtigung. Schläge ist ein oft erschütternder, manchmal auch gallig-komischer autobiografischer Roman über Missbrauch und Macht, aber auch ein starkes Plädoyer für die Kraft der Literatur. [CulturBooks, 264 S., € 22,-]

cover_kling_ql_rgbMarc-Uwe Kling / Zachary Tallent: Qualityland

Eine schöne neue Welt ist das, die uns der gebürtige Stuttgarter Marc-Uwe Kling in der Graphic Novel-Adaption seines Bestsellers Qualityland da vorhersagt: In der Zukunft wird unser Leben komplett von Algorithmen bestimmt. Der Freundeskreis, die passende Partnerin, der nächste Kauf? Hängt alles von unserem persönlichen Score und den durchleuchteten Vorlieben ab. Individualität? Ein Konzept von gestern. Doch als ihm ein rosa Delfinvibrator geschickt wird, den er nicht umtauschen kann, wachsen beim Maschinenverschrotter Peter Zweifel an der Fehlerlosigkeit des Systems. Der US-Zeichner Zachary Tallent bringt Klings schräge Dystopie in knalligen Bildern perfekt aufs Papier. Die Bildschirm-Rechte hat sich derweil längst HBO gesichert. [Voland & Quist, 176 S., € 18,-]

warumichnichtReni Eddo-Lodge: Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche

Noch immer machen es sich die Weißen zu leicht, besonders hier in Europa. Die systemische Polizeigewalt gegenüber Schwarzen wie jüngst die Ermordung Georg Floyds
in den USA halten viele zum Beispiel bloß für ein fernes Problem. Eine bereits angedachte Studie zum Thema Racial Profiling bei der deutschen Polizei? Von Innenminister Horst Seehofer für unnötig erklärt. Nicht nur der sollte Eddo-Lodges wichtiges und für Weiße äußerst unbequeme, nun auch als Taschenbuch erschienene Buch lesen – und etwas darüber lernen, was es für Black and People of Color bedeutet, in einer von Weißen dominierten Welt zu leben. Das größte Problem sind eben nicht die offensichtlichen Anfeindungen von Rechts, sondern vielmehr der ganz alltägliche strukturelle Rassismus und die Blindheit der Weißen angesichts ihrer eigenen Privilegien. [Tropen, 272 S., € 10,-]

arbeitThorsten Nagelschmidt: Arbeit

Zwar konnte der Muff-Potter-Sänger Thorsten Nagelschmidt nicht vorhersehen, in was für einer außergewöhnlichen Zeit sein Roman erscheinen würde, trotzdem wirkt Arbeit gerade ein bisschen wie der Abgesang auf eine vergangene Ära – und ein Berlin, das es so womöglich bald nicht mehr gibt. In 16 lose durch einen Taxifahrer miteinander verknüpften Episoden begleitet er rund ein Dutzend Menschen, die arbeiten müssen, während andere feiern, durch die Nacht. Ob Drogendealer, Sozialarbeiter, Späti Verkäuferin, Notfallsanitäterin, Türsteher oder Polizistin, sie alle werden als Kaleidoskop des Berliner Nachtlebens authentisch von Nagelschmidt eingefangen. Vielleicht der einzige Berlin-Roman, den es wirklich noch brauchte. [S. Fischer, 336 S., € 22,-]