Connact

Jahresstipendium 2021!

Dieses Jahr hat mich oft an meine Grenzen gebracht und gelegentlich auch darüber hinaus – aber ich habe da so ein Gefühl, dass das nächste ein besseres werden dürfte: Ich bin überglücklich darüber, dass mir das Land Baden-Württemberg für 2021 ein Jahresstipendium für Literatur verliehen hat: „Frank Rudkoffsky überzeugte die Jury mit seinem Roman Fake. Es werde das Bild einer Generation gezeichnet, der scheinbar alle Türen offen stünden und die doch an einer inneren Leere und steigendem Druck von außen zu scheitern drohe, so die Jury.“ Hier lest ihr die ganze Pressemitteilung!

Herzlichen Dank an die Jury und Glückwunsch an meine großartigen MitstipendiatInnen Cihan Acar, Theres Essmann und Valentin Moritz!

Unterschrieben! #2

img_4883Auf manche Briefe wartet man ja schon lange, bevor sie überhaupt verschickt wurden. Jetzt habe ich das Happy End von 2018 auch schwarz auf weiß: Mein nächster Roman erscheint im Frühjahr 2020 als Hardcover beim wunderbaren Verlag Voland & Quist!

Das bedeutet zugleich aber auch den Abschied von meinen ans Herz gewachsenen Verlegern Jürgen Volk und Ansgar Köb bei duotincta, die mir mit meinem Debüt Dezemberfieber vor mehr als drei Jahren den Startschuss als Autor ermöglichten – und immer Verständnis für meine Entscheidung hatten, mir für den nächsten Roman trotz unserer guten Zusammenarbeit eine (übrigens sehr, sehr tolle!) Agentur zu suchen. Es bleiben nicht nur schöne Erinnerungen an gemeinsame Lesungen und Messen, sondern auch echte Freundschaft und Verbundenheit, die Bestand haben werden. Auch wenn ich das natürlich nur schreibe, um mein Anrecht auf Gratisbier am duotincta-Messestand in Leipzig nicht aufs Spiel zu setzen.

Immerhin bleibe ich in der Nachbarschaft: In den letzten beiden Jahren lag der Messestand von Voland & Quist gleich gegenüber. Nach unserem Kontakt in den letzten Wochen bin ich davon überzeugt, dass ich mich in meiner neuen Verlagsfamilie ganz genauso zuhause fühlen werde. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit und darauf, in diesem Jahr endlich wieder erleben zu dürfen, wie aus meinem Manuskript ein Buch wird. Und zwar ein richtig schönes, wenn man die jüngsten Veröffentlichungen meiner neuen Heimat zum Maßstab nimmt. Ich halte euch auf dem Laufenden!

Grausame Helden. Über Franziska Hausers „Die Gewitterschwimmerin“

Franziska Hauser - Die GewitterschwimmerinDie Türschwelle, das Giftschränkchen, die Trennwand: All das muss raus aus dem Haus, muss zerschlagen werden und im Garten verbrannt. Es ist keine Entrümpelung, sondern ein Exorzismus. Nach dem Tod ihrer Mutter vernichtet Tamara Hirsch alles, was sie an ihre lieblose Kindheit erinnert, an den Sündenfall, der ihr eigenes Leben so schwer und das ihrer Schwester unmöglich machte. Tamara rächt sich am Haus stellvertretend für Dascha, die sie nicht vor sich selbst retten konnte. Denn Tamara war immer härter und forscher als Dascha gewesen. Das musste sie auch sein bei einer selbstsüchtigen Mutter, die befürchtete, sie konkurriere mit ihren Kindern um die Liebe ihres Mannes. Oder bei einem Vater, der glaubte, ihm stehe als sozialistischem Helden nach den Entbehrungen des Widerstandskampfes nun alles zu, sogar seine Töchter. Die Kindheit in der Familie Hirsch hat Tamara zornig und bindungsunfähig gemacht, Dascha dagegen krank und selbstzerstörerisch. Deshalb ist Tamara noch da und Dascha ist es nicht. Die Wut auf das vererbte Haus ist zugleich aber auch die Wut auf sich selbst und über das jahrzehntelange Schweigen, das nun, da die Mutter tot ist, nur noch zu spät gebrochen werden kann. Ohnehin lassen sich die Geister der Vergangenheit nicht einfach so austreiben. Mehr als ein Jahrhundert deutscher Geschichte hat seine Spuren in Familie Hirsch hinterlassen. Manche Narben sind tief genug, dass sie an die nächste Generation vererbt werden – und sich Fehler zu wiederholen drohen. Denn auch als alte Frau bleibt Tamara noch immer das Kind ihrer Eltern und muss sich von ihrer eigenen, inzwischen erwachsenen Tochter in Frage stellen lassen:

»Warum bist du eigentlich so geworden, wie du nicht sein wolltest?« Henriette legte ihr Handy auf den Tisch. Die Pegelanzeige der Diktiergerät-App fing an zu zappeln, als ein Flugzeug über den Garten flog. »Ich höre dir zu, aber ich umarme dich nicht, wenn du weinst«, sagte Henriette streng und verschränkte die Arme.

Es ist Henriette, die Tamaras Leben und das ihrer Familie literarisch aufarbeitet – und die heißt im wahren Leben Franziska Hauser. Die Gewitterschwimmerin erzählt ihre Sicht auf die Geschichte ihrer Familie, durfte allerdings nur in Form eines freien literarischen Romans erscheinen. Kein Wunder angesichts der Vorwürfe, die sie gegenüber ihren Vorfahren erhebt: Die Hausers waren schließlich nicht einfach nur Eltern, Großeltern, Urgroßeltern – sie sind auch Personen der Zeitgeschichte, die insbesondere die frühen Jahre der DDR mitprägten.

Ein deutsches Jahrhundert

Raffiniert konstruiert Franziska Hauser die Geschichte der Familie „Hirsch“ in zwei Strängen, die sich aufeinander zubewegen: Chronologisch erzählt sie aus den Leben vorangegangener Generationen, angefangen bei Tamaras Großvater, dem aufrechten Bildungsbürger und Friedensaktivisten Friedrich, der als Soldat den ersten Weltkrieg erlebte und im Dritten Reich ins Exil getrieben wurde, bis hin zu ihrem Vater Alfred, der während des Zweiten Weltkriegs als kommunistischer Untergrundkämpfer gegen die Nazis kämpfte und sich später in der DDR als linientreuer Autor etlicher Propagandakitsch-Romane profilierte. Die vielen Familienmitglieder, deren Lebenswege Hauser nachzeichnet, werden in einem Jahrhundert voller Schicksalsjahre zu Helden, zu Opfern – und zu Tätern. Genau deshalb erzählt Hauser die Geschichte ihrer Mutter rückwärts, beginnend mit der geradezu exorzistischen Hausentkernung im Jahr 2011. Verglichen mit den Leben ihrer Eltern und Großeltern ist dasjenige von Tamara geradezu gewöhnlich, ein Leben, das nicht von Heldentum und Weltgeschehen, sondern von vermeintlich kleinen Sorgen geprägt wird. Von immer wieder scheiternden Beziehungen, vom Kampf um ihre psychisch kranke Schwester, vom Alltag als alleinerziehender Mutter oder dem Mangel an Freiheit in der DDR. Vor allem aber ist es kein gelungenes, kein glückliches Leben, sondern eines, das Tamara zwar schlagfertig und eigensinnig, aber auch hart, bitter und einsam werden lässt.

Je weiter sich ihre Geschichte in die Vergangenheit und ihre Kindheit bewegt – und damit auf diejenige ihrer Eltern zu – , desto deutlicher wird der Sündenfall der einstigen Helden zum Dreh- und Angelpunkt des Romans. Der berühmte Antifaschist Alfred und seine Frau Adele sind furchtbare Eltern – und zwar nicht nur, weil sie im Dienste des Sozialismus ständig um die Welt reisen, während das eigene Volk eingesperrt und nur die Haushälterin bei den Kindern bleibt. Sie sind auch Stellvertreter eines unmenschlichen Systems, das binnen kürzester Zeit seine eigenen Ideale verriet. Menschen wie Alfred waren es, die die DDR zu dem Unrechtsstaat machten, der sie war, Menschen, die glaubten, sie könnten sich alles herausnehmen, weil sie die Geschichte und die Wahrheit auf ihrer Seite glaubten. Nach den Jahren im Exil und seinem mutigen, immer wieder anektdotisch aufgewärmten Widerstandskampf denkt Alfred, ihm und seinesgleichen stünden manche Dinge ganz einfach zu: die Vortragsreisen um die Welt und die ausschweifenden Partys. Das Grundstück am See, während der Vater sogar in einem enteigneten Schloss wohnen darf, in dem die ehemaligen Besitzer bloß noch geduldet werden. Die Haushälterin, die nur zum Schein als ebenbürtig behandelt wird. Und nicht zuletzt die Unschuld seiner beiden Töchter, die Alfred nachts in ihren Betten aufsucht, um sie zu missbrauchen. Der private Sündenfall des Kaderhelden spiegelt zugleich die Doppelmoral und den historischen Irrweg sozialistischer Staaten: den Missbrauch am eigenen Volk.

»Und hier haben damals die Faschisten auf der Wiese gelegen, genauso wie wir jetzt, und hatten denselben Blick ins Tal«, sagt er, als wäre es ein Theatertext. Er legt die Hände auf den Rücken. »Das war die Sorte von Menschen, die grausam waren gegen die Fremden. Danach haben Kommunisten hier gesessen. Das ist die Sorte von Menschen, die grausam sind gegen die Eigenen. Da weiß man nicht, was schlimmer ist.«

Dank der sich aufeinander zu bewegenden Handlungsstränge gelingt es Franziska Hauser, Die Gewitterschwimmerin zu einer gleichermaßen spannenden wie erschütternden Lektüre zu machen. Trotz charakterlicher Schwächen und Brüche fiebert man mit ihren historischen Vorfahren mit, während man sie durch das bewegte 20. Jahrhundert begleitet, parallel dazu werden die vermeintlichen Helden durch Tamaras und Daschas Leid aber auch schonungslos dekonstruiert. Nach dem Ende des Romans fängt man gleich noch einmal von vorne an, um Tamaras kathartische Hausentrümpelung im Jahr 2011 mit dem Wissen um ihr Leben und das ihrer Vorfahren erneut zu lesen – und ist fast versucht, einfach wieder dranzubleiben. Einerseits Familienroman vor dem Hintergrund historischer Ereignisse und literarische Aufarbeitung von aktivem wie passivem Missbrauch, ist Die Gewitterschwimmerin zugleich auch eine kluge Abrechnung mit sozialistischer Doppelmoral: ein herausragendes Buch, das zu Recht für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde.Buchpreisblogger_Banner1500x500


Franziska Hauser: Die Gewitterschwimmerin. Erschienen bei Eichborn, 431 Seiten.

Unterschrieben!

IMG_2006Damals bei meinem Debütroman habe ich mir an Literaturagenturen noch die Zähne ausbeißen müssen. Besonders frustrierend war es, dass die Absagen oft voll des Lobes waren und trotzdem immer irgendetwas nicht passte – manchmal waren die Aussagen sogar gegenteilig. Mein abgewetztes und oft gebrauchtes Leseexemplar von Dezemberfieber zeugt davon, dass es die richtige Entscheidung war, den Roman 2015 beim kleinen, aber ambitionierten Verlag duotincta zu veröffentlichen, nicht zuletzt aber auch die großartigen Besprechungen von Bloggern, deren Meinung ich sehr schätze. Die Verleger von duotincta, die mir damals den Start als Autor ermöglichten, sind inzwischen längst gute Freunde geworden – auch in Zukunft werde ich auf Messen also jede Gelegenheit nutzen, Zeit mit ihnen am Stand zu verbringen (in Leipzig findet ihr sie in Halle 5 G203 bei der Lesebühne der Jungen Verlage). Und auf die gemeinsame Verlagslesung mit homunculus freue ich mich nicht nur, weil ich dort auch die neue Ausgabe von ]trash[pool vorstellen darf.

Gestern bin ich aber endlich einen großen Schritt weitergekommen: Ich habe für meinen neuen Roman einen Vertrag bei einer Literaturagentur unterzeichnet – und hatte dank einer weiteren interessierten Agentur sogar die Qual der Wahl. Späte Genugtuung? Quatsch. Ich bin einfach nur dankbar und glücklich darüber, dass da jemand an mich und meinen Roman glaubt. Und jetzt sehr, sehr gespannt auf das, was die Zukunft bringt!