Öffentliche Verkehrsmittel offenbaren sich doch immer wieder als faszinierendes Kaleidoskop menschlicher Kommunikation. Kürzlich wurde ich an einer Haltestelle Zeuge einer bemerkenswerten sprachlichen Rückbesinnung. Ich lauschte einer Gruppe halbstarker Gymnasiasten, deren Duktus und Vokabular deutlich von den Vertretern der hiesigen Gangsta-Rap-Szene geprägt war, und machte mir Gedanken über die freimütige Beschneidung unserer Mutter[sprich: mudda]sprache. Gerade in Zeiten, in denen sich im eigenen Dialekt gefangene Politiker öffentlich um die Qualität unserer Sprache und die Bedingungen für gelungene Integration sorgen, lohnt es sich schließlich, den Blick (oder das Ohr) auch einmal auf die deutsche Jugend zu richten. Eine sehr wohlwollende Vermutung: Die zunehmende Beschränkung auf szenetypisches Rumpfdeutsch ist nichts weniger als ein hochinnovativer Ansatz zur Völkerverständigung: Indem die Jugendlichen den mitunter bürgerlichen Wortschatz ihres Elternhauses integrationsfreundlich wegrationalisieren, begegnen sie selbst unseren ausländischen Mitbürgern ohne Sprachpraxis auf Augenhöhe. Zurück zur Situation an der Haltestelle. Mitten im Gespräch – ein spielerischer beef übrigens – hörte ich einen unserer ehrenamtlichen Streetworker aus dem gehobenen Ghetto in bestem Gangstasprech sagen: „Ey Alter, du bischt ja voll der Tunichtgut!“ Eine begrüßenswerte Losung, wie ich finde: Wenn schon dissen, dann bitte mit Tradition. Vielleicht ist es ja doch nicht so schlecht um die deutsche Sprache bestellt, wie es unsere besorgten Politiker aus Bayern zuweilen befürchten lassen. Sprache war nämlich schon immer eine Brücke. Alter.