Liebe

Drei Bücher über… Liebe

Drei Bücher über... LiebeSchon länger habe ich mit dem Gedanken gespielt, eine neue Rubrik auf meinem Blog einzuführen, in der ich Bücher, anstatt wie sonst in die Tiefe zu gehen, in aller Kürze bespreche. In unregelmäßigen Abständen stelle ich deshalb bei Drei Bücher über… fortan jeweils drei Titel zu einem bestimmten Oberthema vor, ganz gleich ob Roman oder Sachbuch, Backlist oder Bestseller, kanonisch oder obskur – eine schöne Gelegenheit, mal über Bücher zu schreiben, die nicht gerade zwingend in aller Munde sind. Und was lag da näher, als am Valentinstag mit der Liebe zu beginnen?


Stephan Porombka – Es ist Liebe

Früher war alles besser, sogar der Valentinstag. Man schrieb sich noch echte Liebesbriefe anstelle von Chatnachrichten. Und man schickte einander Blumen, keine Selfies. Natürlich ist das Quatsch: In der Generation Smartphone lieben wir nicht schlechter, sondern nur anders. Mit Verve fordert uns Social Media-Künstler und Professor Stephan Porompka in Es ist Liebe deshalb zu einer neuen romantischen Revolution auf. Ein Essay ist der schmale Band nicht – eher eine Flugschrift, wie Hanser es nennt. Porompka wägt nicht das Für und Wider digitaler Kommunikation ab, sondern will uns vielmehr dazu aufmuntern, neugierig und aufgeschlossen zu bleiben, uns auszuprobieren und neu zu erfinden – ein Zurück gibt es schließlich genauso wenig wie damals nach Gutenberg. Was die neuen Kommunikationsformen aus und zwischen uns machen, bleibt – der Textform geschuldet – manchmal etwas verkürzt und absichtlich plakativ, ist in seinem Optimismus aber durchaus ansteckend.

Sarah Berger – Match Deleted

Die Tinder Shorts von Sarah Berger zeigen dagegen die Kehrseite der digitalen Revolution. In den 137 semi-fiktiven Miniaturen und Chatprotokollen von Match Deleted entlarvt sie die moderne Datingkultur als permanente Selbstspiegelung, dank der Nähe und Verbindlichkeit zum Sonderfall werden. An die Stelle von echter Kommunikation, von wahrhaftigem oder wenigstens scheinbarem zwischenmenschlichen Austausch tritt ein fortdauerndes Selbstgespräch auf beiden Seiten. Man redet aneinander vorbei und dabei eigentlich eh nur über sich selbst. Am besten funktionieren die Tinder Shorts da, wo Berger ihre erfundenen Chatpartner, die eigentlich nur auf ein unverbindliches Sextreffen aus sind, mit echten Emotionen und Geständnissen irritiert – und damit die ungeschriebenen Regeln oberflächlicher Dating-Kommunikation bricht. Das ist mal lustig, mal deprimierend – und stellenweise auch anstrengend. Also wie das echte Leben, das wir aus unseren gestylten Online-Profilen sonst so gerne ausklammern.

Isabelle Autissier – Herz auf Eis

Aber was passiert eigentlich mit der Liebe, wenn zwei Menschen ganz auf sich zurückgeworfen sind, abgeschnitten von der Außenwelt und jeder Kommunikationsmöglichkeit? In ihrem kompromisslosen und eindringlichen Roman Herz auf Eis setzt Isabelle Autissier das junge Pariser Paar Louise und Ludovic einer absoluten Extremsituation aus – und seziert dabei den Zerfall ihrer Liebe im Kampf ums nackte Überleben. Ein Jahr lang wollten sie zu zweit die Welt umsegeln und gemeinsam die Freiheit des Lebens genießen. Nach einem Schiffbruch vor einer Insel bei Kap Hoorn sehen sie nun stattdessen mit jedem Tag, den sie dort gestrandet sind, mehr dem Tod ins Auge. Keine Spur von Robinson-Romantik und billiger Blaue Lagune-Erotik: Anstelle von Kokosnüssen und Palmen erwarten sie auf der Insel nichts weiter als eine seit Jahrzehnten verlassene Walfangstation und eine strengere Kälte, als sie ertragen können. Um zu überleben, müssen sie regelmäßig Pinguine zu Dutzenden erschlagen oder Dosen öffnen, die seit 50 Jahren abgelaufen ist. Von dem, was sie im behüteten Paris einst darstellten, bleibt nur noch die Erinnerung: Was bringt es etwa, daheim ein erfolgreicher Werber zu sein, wenn man ohne all die Erleichterungen der Zivilisation plötzlich nicht mehr überlebensfähig ist? Nicht nur die alltäglichen Strapazen und der Hunger werden für Louise und Ludovic zu einer Belastung. Auch die gegenseitigen Schuldzuweisungen und unterschiedlichen Vorstellungen dessen, was zu tun ist, treiben das Paar immer weiter auseinander. Als Ludovic erkrankt und täglich schwächer wird, wird Louise auf eine harte Probe gestellt. Was ist stärker – ihre Liebe oder der pure Überlebensinstinkt? Beziehungsstatus: Es ist kompliziert.


Stephan Porombka: Es ist Liebe. Erschienen bei Hanser, 176 Seiten. // Sarah Berger: Match Deleted. Erschienen bei Frohmann, 160 Seiten. // Isabelle Autissier: Herz auf Eis. Aus dem Französischen von Kirsten Gleinig. Erschienen bei Mare, 224 Seiten. // Die Texte zu „Es ist Liebe“ und „Match Deleted“ sind in kürzerer Form bereits in der Februarausgabe des Stuttgarter Stadtmagazins LIFT erschienen.

Vom Glück in Zeiten des Krieges. Ein besonderer Schatz aus einem Nachlass (1/3)

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Eine Großmutter, die ihrer Enkelin kurz vor ihrem Tod ein Jahrzehnte altes Geheimnis anvertraut. Eine versteckte Schachtel mit Erinnerungen an die erste große Liebe. Eine tragische und rührende Geschichte vom kurzen Glück in Zeiten des Krieges. Zugegeben: Das klingt wie der Pitch einer so sentimentalen wie sedierenden Mittwochabendschnulze im Öffentlich Rechtlichen, Taschentuchgarantie inklusive. Oder nach einem Roman, den ich auf meinem Blog ganz sicher nicht besprechen würde. Aber manchmal stimmt es eben doch: Das Leben schreibt die besten Geschichten.

Die Großmutter mit der geheimnisvollen Schachtel gab es wirklich, und ihre Enkelin – eine gute Freundin von mir – hat mir die Erlaubnis gegeben, diesen so wertvollen Schatz aus ihrem Nachlass in meinem Blog vorzustellen. Die Briefe, Tagebücher, Zeichnungen und Fotos, die ihre Großmutter so viele Jahrzehnte in dieser Schachtel aufbewahrt hat, sind vor allem deshalb etwas Besonderes, weil sie eine Geschichte erzählen, die ohne weitere Erklärungen auskommt – sie ist so rund und abgeschlossen wie die Handlung eines Romans.

Es war während eines Gesprächs über die Liebe, als die damals bereits verwitwete Großmutter meiner Freundin – nennen wir sie fortan Maria – plötzlich die Schachtel hervorholte und ihr zeigte, was sonst vielleicht noch nie jemand zu Gesicht bekommen hatte: Ihre Erinnerungen an ein kurzes, aber umso intensiveres Glück im Frühling des Jahres 1941. Erinnerungen an einen Mann, den Maria so lange lieben durfte, bis das Schicksal sie trennte. Einen Mann, den sie auch nach über sechzig – zumeist glücklichen – Ehejahren mit einem anderen nie vergessen hatte.

Die meisten Menschen verpassen die wertvolle Chance, ihren Großeltern eines Tages auf Augenhöhe zu begegnen. Es ist eine Sache, zu begreifen, dass sie einmal genauso waren wie man selbst. Dass ihr Leben einst aus mehr bestanden hat als aus Kaffeekränzchen und Gartenarbeit, ihr Herz einst für mehr geschlagen hat als für das allabendliche, weichgezeichnete Lächeln ihrer Schlageridole. Dass sie einmal leidenschaftlich waren, jung und naiv. Eine ganz andere Sache ist es jedoch, wenn sich die eigene Oma plötzlich in Rose aus Titanic verwandelt.

Denn: Diesen Jack gab es wirklich. Sein Name war Herbert. Alles, was von ihm und ihrer gemeinsamen Liebe geblieben ist, hat Maria in dieser kleinen Schachtel aufbewahrt. Ihr Kernstück: ein gebundenes Buch, in dem Herbert – ein guter Erzähler mit viel Liebe zum Detail – die wenigen Wochen, die sie gemeinsam verbringen durften, Tag für Tag mit rührend viel Aufwand rekapituliert. Das Buch erzählt eine bewegende Geschichte von kurzem, unschuldigem Glück in Zeiten des Krieges; es ist überdies die vielleicht einzige Erinnerung an einen Menschen, der durch die Zeit gefallen, dem Vergessen anheim gefallen ist. Und mit eben diesem Buch – bzw. großen Teilen davon – nimmt diese Geschichte auch ihren Anfang.  (mehr …)