Ich sag’s lieber gleich vorweg: Ich bin befangen. Nicht nur, weil ich mit meiner Bloggerfreundin Mareike regelmäßig chatte oder auf Buchmessenpartys zu schlechter Musik tanze. Auch nicht, weil sie so lieb war, mich in der Danksagung ihres Romans zu erwähnen – so leicht bin ich nun auch nicht zu bestechen. Befangen bin ich aus einem ganz anderen Grund: Ich hatte die große Ehre, die Entstehung von Dunkelgrün fast schwarz beinahe von Anfang an mitzuverfolgen. Da wir beide zeitgleich an unseren Romanen arbeiteten, tauschten wir uns regelmäßig über unsere Fortschritte, Erfolge und Niederlagen aus, gaben uns gegenseitig die neuesten Kapitel zu lesen und warteten dann bangend aufs Feedback, machten einander, wenn nötig, hin und wieder auch mal Mut. Das tat gut und machte Spaß, war als Leser aber auch eine frustrierende Erfahrung: Während ihr da draußen den Roman, wie es sich für ihn gehört, am Stück verschlingt, musste ich oft Wochen, manchmal sogar Monate warten, ehe ich weiterlesen durfte. Wer das Buch kennt, kann sich vorstellen, wie schwer mir das fiel. Denn trotz aller Befangenheit: In eine moralische Zwickmühle bringt mich die Vorstellung von Mareikes Roman nicht – dafür ist er nämlich viel zu gut. Und das war er von Anfang an.
Eine gefährliche Freundschaft
Befangen ist auch Moritz, als Raffael plötzlich vor seiner Tür steht, ganze sechzehn Jahre, nachdem er sich einfach so und scheinbar grundlos aus dem Staub machte. Eigentlich sollte er Wichtigeres im Sinn haben, als seinen alten Freund bei sich aufzunehmen, schließlich steht die Geburt seines ersten Kindes unmittelbar bevor. Aber trotz ihrer langen Trennung voneinander ist gleich alles wieder wie früher: Raffael gibt den Ton an, und Moritz tanzt nach seiner Pfeife, obwohl Raffael ganz offensichtlich etwas zu verbergen hat.
Schon als Kleindkind ist Raffael ein echter Rattenfänger. Und ein Arschloch. Mit Grauen muss Moritz‘ Mutter Marie mitansehen, welche Macht der beste Freund ihres Sohnes über ihn hat, wie er ihn manipuliert und drangsaliert, ihn abgängig von sich macht. Und doch sind Moz und Raf, wie die beiden einander als Kinder nannten, stets unzertrennlich: der eine ein rücksichtsloser Draufgänger, der andere sensibel und zaghaft. Sie brauchen einander. Raf holt Moz aus seiner Komfortzone und lässt ihn über sich hinauswachsen, Moz gibt Raf dagegen ein Gefühl der Zugehörigkeit, das ihm in seiner eigenen Familie fehlt. Eine scheinbar unzerstörbare Freundschaft, selbst, als das Waisenmädchen Jonanna zum Duo hinzustößt und mit ihr die ersten Gefühle ins Spiel kommen. Nur Marie bleibt über die Jahre weiter skeptisch: Dieser Raffael ist gefährlich – und wird Moritz eines Tages ins Unglück stürzen. Marie hat einen guten Grund, so zu denken. Sie kennt die Macht, die Raffael über ihren Sohn hat. Sein Vater ist nämlich genau wie er, ein skrupelloser Manipulator, der die Schwächen anderer genau auszunutzen weiß: zum Beispiel ihre Einsamkeit als Mutter zweier Kinder mit einem abwesenden Vater…
So komplex wie spannend
Und das sind gerade einmal die groben Züge der Handlung von Dunkelgrün fast schwarz: Geschickt spinnt Mareike Fallwickl einen Bogen zwischen den Generationen, erzählt multiperspektivisch und auf mehreren Zeitebenen die Geschichten von Marie, Moritz und Johanna und führt deren Fäden mit der Rückkehr des undurchsichtigen Raffaels am Ende schließlich zusammen. Was auf dem Papier kompliziert klingt, fügt sich so mühelos ineinander, dass Mareike mit Dunkelgrün fast schwarz ein wahrer Pageturner über Freundschaft, Abhängigkeiten und die gefährliche Macht, die Menschen übereinander haben, gelungen ist, der bei allem Anspruch in der Komposition nie zu unterhalten vergisst. Im Gegenteil: Man ist als Leser den Figuren so nahe, dass die Spannung manchmal kaum auszuhalten ist.
Liebe Mareike, es ist mir eine Ehre, in einem so gelungenen und wunderbaren Buch erwähnt zu werden – selbst, wenn du meine Hilfe nie brauchtest. Ich weiß, wie hart du an diesem Roman gearbeitet hast: Den Erfolg hast du dir mehr als verdient. Und deshalb bin ich nicht nur befangen, sondern vor allem eines: sehr, sehr stolz auf dich!
Mareike Fallwickl: Dunkelgrün fast schwarz. Erschienen bei der Frankfurter Verlagsanstalt, 480 Seiten. Trotz der Fülle an Besprechungen, die dieser Tage erscheinen, möchte ich eine ganz besonders hervorheben: Auf Buchrevier schrieb Tobias Nazemi einen sehr schönen, ebenfalls sehr persönlichen Leserbrief an Mareike.