Reisen

„Dann geht es mir wieder wie Agnes: Ich staune.“ Blogbuster-Kandidatin Mirjam Ziegler im Gespräch.

Postkarten an UnterstützerLetzte Woche habe ich Mirjam Ziegler für den Blogbuster-Preis 2018 nominiert und ihren Longlist-Titel Die Federn meiner Mutter ausführlich besprochen. Nun möchte ich die Autorin endlich selbst zu Wort kommen lassen – und habe sie zur außergewöhnlichen Entstehungsgeschichte ihres Romans befragt.

Liebe Mirjam, wie ist damals in Tübingen der Anfang zum Roman entstanden?

Die Idee hatte ich eigentlich schon 2010 während meines Auslandsjahrs, doch beim ersten Schreibversuch merkte ich schnell, dass mir da das Handwerkszeug fehlte. Zurück in Tübingen konnte ich glücklicherweise am Studio Literatur und Theater viel lernen; zunächst übte ich mich in kürzeren Formen. Parallel entwickelte ich die Romanidee weiter, und als ich dann endlich einen funktionierenden Anfang gefunden hatte, schrieb ich in meiner Kino-Mittagspause in einem italienischen Café – jeden Tag ein paar Sätze, oder auch nur ein paar Wörter, oder auch gar keines. Das Wichtige war dranzubleiben. Die ersten beiden Kapitel waren auch meine Abschlussarbeit für das Zertifikat am SLT.

Den Großteil des Romans hast du allerdings nicht in Tübingen geschrieben, sondern unterwegs – und zwar auf derselben Reiseroute wie der von Agnes. Wie kamst du auf diese Idee und den Einfall, dir deine sechsmonatige Romanreise per Crowdfunding zu finanzieren?

In Tübingen wäre ich nicht auf so eine abwegige Idee gekommen. Das war in Phnom Penh, ich couchsurfte bei einem Holländer, der schon CouchSurfing machte, bevor dieses Konzept existierte, und sich generell nicht darum scherte, was normal ist. Zur Rush Hour auf einem Moto schien mir mitten im verrückten Verkehr wohl plötzlich alles möglich. Da war die Idee zum Crowdfunding-Projekt: So könnte ich meinen Roman fertig schreiben, bevor ich wieder Arbeit suchen muss. In einem halben Jahr und ohne Rücklagen. Noch in Kambodscha begann ich zu planen, nachts auf dem Balkon eines Hostels schickte ich Rundmails. Antworten aus Europa: „Das ist unmöglich.“ „Ich mach mir Sorgen um dich.“ Und: „Ich habe zwei Lesungen für dich organisiert.“ „Du kannst bei mir bleiben, solange du willst!“ Ursprünglich dachte ich, ich würde die Route hauptsächlich durch CouchSurfing abdecken, doch das war nicht nötig. Von überall her kamen die Einladungen, von Freunden, Bekannten und Unbekannten. Gerade von Filmleuten kam viel Unterstützung – die sind ja daran gewöhnt, entgegen der Wahrscheinlichkeit zu arbeiten.

Ich stelle mir das einerseits spannend, andererseits aber auch schwierig vor: Du siehst interessante Länder und Städte, lernst neue Leute kennen, bist bei Freunden zu Gast. Hattest du während der Reise so etwas wie einen Arbeitsalltag?

Tatsächlich ja, weil ich öffentlich angekündigt hatte, dass ich reise, um zu schreiben, und dafür Geld bekommen hatte. Das hat einerseits den nötigen Druck in mir erzeugt, etwas zustande zu bekommen, und andererseits wollten die Gastgeber auch nichts anderes von mir, als dass ich schreibe – alle Angebote, im Haushalt oder sonstwie zu helfen, haben sie ausgeschlagen. Nur kochen durfte ich! Bei den meisten war ich für zwei Wochen, und ich passte mich an ihren Arbeitsalltag an. Wenn meine Gastgeber sich an die Arbeit machten, setzte ich mich an den Schreibtisch – oder Küchentisch, Gartentisch… Aber natürlich gab es überall auch Erkundungstage. (mehr …)

Die Welt zu Gast bei Feinden: ein „embedded Roadtrip“ durch Kim Jong-uns Nordkorea

nordkorea

Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas – die berühmte Aussage über die hellste Stadt der Welt ließe sich ebenso gut auf die vielleicht dunkelste Stadt der Welt übertragen: Pjöngjang. Nordkorea ist nicht nur auf nächtlichen Satellitenbildern ein schwarzer Fleck – aus der abgeschotteten Militärdiktatur dringen nur wenige gesicherte Informationen nach außen, entsprechend groß ist die Neugierde auf das gleichermaßen skurrile wie grausame Regime und sein indoktriniertes, verarmtes Volk. Trotzdem wagen es nur wenige tausend Menschen im Jahr, nach Ostasien zu reisen und sich im (strengen!) Rahmen einer geführten Tour selbst ein Bild vom vielleicht letzten wirklich kommunistischen Land der Erde zu machen. Einer von von ihnen ist Christian Eisert, TV-Autor und ehemaliger Gagschreiber von Harald Schmidt; gemeinsam mit Fotoreporterin Thanh reist Eisert, weil Journalisten die Einreise strikt untersagt ist, unter falscher Flagge durch ein Land, das nicht nur scheinbar aus der Zeit gefallen ist. Frei bewegen können sie sich nicht: Auf ihrem embedded Roadtrip bleiben sie immer in Begleitung ihrer Reiseführer und Aufpasser Rym und Chung, die stets bemüht sind, Nordkorea ins beste Licht zu rücken.

Reißerische Aufmachung

Dass ich auf „Kim & Struppi. Ferien in Nordkorea“ aufmerksam geworden bin, habe ich einem Zufall zu verdanken. Normalerweise lese ich keine Bücher von Comedy-Autoren, selbst, wenn ich deren eigentliche Arbeit zuweilen zu schätzen weiß; es macht nun mal einen großen Unterschied, ob etwa ein David Foster Wallace über eine Kreuzfahrt schreibt oder jemand wie Christoph Maria Herbst. Zu viele Prominente – ganz gleich, ob aus der A-Riege oder den hinteren Teilen des Alphabets – füllen inzwischen die Regale der Buchhandlungen und verstellen den Blick auf anspruchsvollere Titel. Nicht umsonst schrieb ich bereits an anderer Stelle, dass die inflationären Promi-Biografien das literarische Äquivalent zu Katzenvideos auf Youtube seien. Vermutlich hätte ich Christian Eiserts launigen Reisebericht nie gelesen: Der Buchtitel, das grelle Cover und der reißerische „Waschzettel“ schreien geradezu nach der platten Skurrilitätensammlung, die man von einem Comedy-Autor erwarten würde. Ich hätte etwas verpasst.  (mehr …)