Kein #Neuland in Sicht? Über Literaturblogs und (fehlende) Innovationen in der Verlagswelt

Es gibt einen guten Grund, warum ich als Autor meine Homepage aufgegeben habe, um stattdessen einen Blog zu führen: Es ist, wie ich glaube, die logische Konsequenz angesichts einer Literaturwelt im Umbruch. Die Art und Weise, wie Literatur wahrgenommen und sichtbar gemacht wird, hat sich in den letzten Jahren spürbar verändert und den Weg für Innovationen bereitet. Etablierte Verlage müssen endlich angemessenere, bessere Antworten auf das finden, was Frau Merkel unlängst etwas unglücklich als Neuland bezeichnete.

Blogs machen dem Feuilleton die Deutungshoheit streitig

Längst kann das klassische Feuilleton nicht mehr die alleinige Deutungshoheit über Bücher und Autoren für sich beanspruchen; Rezensionen in Blogs oder Leserunden auf Plattformen wie Lovelybooks spielen eine immer wichtigere Rolle in der Rezeption von Literatur. Sie ermöglichen nicht nur einen ganz neuen Dialog zwischen Autor und Leser, sondern bilden dank der Vernetzung engagierter Buchliebhaber (bspw. We read Indie) auch ein Gegengewicht zu einer Verlagswelt, die sich teils im Programm, vor allem aber im Marketing bloß noch auf sichere Blockbuster verlässt. In der Masse fehlt inzwischen immer öfter die Klasse: Die inflationären Promi-Biografien etwa sind das literarische Äquivalent zu Katzenvideos auf Youtube. In den Blogs entscheiden (bestenfalls) aber weder Werbeetats noch Programmschwerpunkte, welche Bücher besprochen werden – eine große Chance für Indie-Verlage und ihre Autoren: Da stehen Blockbuster neben Nischentiteln, Klassiker neben Newcomern, Selfpublisher neben Starautoren. Sicher gibt es auch Beeinflussungen seitens der Verlage; jeder Blogger kämpft schließlich um das knappe Gut Aufmerksamkeit und die Chance, aus der Masse an Gleichgesinnten herauszustechen. Das ändert dennoch nichts daran, dass ihre Stimmen ernst genommen werden. Und zwar zurecht: Ich bin bereits in meiner ersten Woche auf WordPress auf so viele interessante Blogs (und Bücher!) gestoßen, dass ich mit dem Lesen kaum hinterher komme – und dabei habe ich wahrscheinlich gerade mal die Spitze des Eisbergs freigelegt [Anm.: Es steht jedem Leser frei, hier seine eigene Titanic-Analogie einzufügen; ich habe mir meine eigene gerade so verkneifen können.]. Wie ernst Verlage diese neuen Stimmen nehmen, zeigt sich nicht nur durch ihre große Bereitschaft zur Kooperation, sondern auch am aktuellen Trend zum verlagseigenen Blog – S. Fischer oder Suhrkamp seien hier nur als Beispiele genannt.

Eine Branche in der Krise

Die Instrumente, mit denen auf Bücher aufmerksam gemacht wird, ändern sich durch die sozialen Netzwerke spürbar – sogar ich selbst arbeite mich gerade in die Software ein, um einen Buchtrailer zu erstellen. Aber moderne Kommunikationsstrategien reichen nicht aus, um als Verlag dem Umbruch in unserer Mediennutzung zu begegnen. Hier fehlt den etablierten Häusern jedoch oftmals der Mut, vielleicht aber auch einfach die zündende Idee für ein sinnvolles und notweniges Umdenken. Auf schwindende Umsätze wird reagiert, indem man immer stärker auf seine (häufig importierten) Zugpferde setzt und sich dagegen im mittleren Segment verschlankt. Die klassische Querfinanzierung – Kassenschlager ermöglichen die Realisierung kleinerer, weniger massentauglicher Projekte – spielt eine immer geringere Rolle in Verlagen. Auch Agenturen verlassen sich als Gatekeeper zunehmend auf das, was ohnehin einen sicheren Abnehmer in Form eines Publikumsverlages findet. Jeder Gang in eine größere Buchhandlung bestätigt das: Neben den unvermeidlichen Promi-Biografien besteht das Sortiment hauptsächlich aus den Titeln der aktuellen Bestsellerlisten sowie gut laufenden Genres, der Rest ist Kraut-und Rüben-Geschenkeshop. Mittlerweile kämpfen die Häuser der großen Buchketten allerdings genauso ums Überleben wie die engagierten Händler im Kleinen – etwa das ocelot – und müssen sich dem Riesen amazon geschlagen geben, der seine Marktmacht gnadenlos ausnutzt. Ihr gutes Argument, Bücher genauso innerhalb von 24 Stunden liefern zu können, wird bald vermutlich zur Makulatur: In New York plant amazon bald Lieferungen innerhalb von sechzig Minuten. Vermutlich ist man in den USA inzwischen sogar mit dem Auto länger unterwegs, um überhaupt noch eine Buchhandlung zu finden.

Selfpublishing als Alternative?

Gleichzeitig ist der Markt für digitale Literatur im Laufe der letzten Jahre immens gewachsen; dank der Möglichkeit des Selfpublishing hat sich beinahe eine Parallelwelt gebildet, in der viele Autoren veröffentlichen, die mindestens ein gutes Lektorat, häufig aber auch die ehrliche Meinung eines Freundes gebraucht hätten, es doch besser bei Fanfiction in Internetforen zu belassen, mitunter aber auch Talente, die leider durchs immer enger werdende Raster großer Verlage gefallen sind. Aufgrund niedriger Preise können manche von ihnen – insbesondere in den USA – durchaus mit den Erfolgen von Starautoren konkurrieren. Dass viele großen Verlagshäuser den Anschluss im digitalen Vertrieb zu verlieren drohen, ist allerdings kein Wunder, wenn man sich ihre Preise für E-Books ansieht. [Gerade als Schriftsteller halte ich nichts von der Verramschung von Büchern; dennoch sind die Preise – angesichts oft niedriger Autorenbeteiligung – häufig lächerlich überzogen für ein ausschließlich digitales Produkt, gerade im Vergleich zur Hardcoverausgabe. Nichtsdestotrotz halte ich das gedruckte Buch für schützenswert.] Selfpublishing ist zwar für viele Autoren zu einer echten Alternative geworden, aber sicher nicht der Weisheit letzter Schluss: Wer sich auch nur halbwegs professionell um Marketing, Lektorat und Gestaltung kümmern will, dem bleibt entsprechend wenig Zeit für das, was eigentlich seine Hauptaufgabe sein sollte: Schreiben.

Innovationen in der Verlagswelt

Für eine ausgewogene, anspruchsvolle Buchkultur sind Verlage notwendig und wichtig. In letzter Zeit entstehen deshalb dort, wo die etablierten Verlagshäuser eine Lücke hinterlassen haben oder drachenverseuchtes Neuland vermuten, immer mehr innovative Verlagsmodelle, die unser verändertes Kommunikations- und Rezeptionsverhalten als Chance begreifen und das Medium Buch neu definieren. Ein spannendes Beispiel hierfür ist Mikrotext, wo kurze, anspruchsvolle Texte aus Literatur und Journalismus – oft über aktuell relevante Themen und Debatten – als E-Book verlegt werden. Für 2015 will Mikrotext neue Wege gehen und seine Texte ausschließlich per Abonnement anbieten – zur Crowdfunding-Kampage geht es übrigens hier entlang.

Ein weiteres interessantes Verlagsprojekt nennt sich duotincta; aktuell lassen sich auf der Homepage drei lizenzfreie E-Books als Betatest und Begrüßungsgeschenk herunterladen, ehe im Frühjahr das erste Programm vorgestellt wird. Geplant ist duotincta zugleich als Verlag, Gemeinschaft und Plattform, auf der sich Leser vernetzen können, um verlagseigene Titel zu rezensieren oder über sie zu diskutieren. Als Indie-Verlag mit Anspruch will duotincta einerseits E-Book-Veröffentlichungen mit den Leistungen eines klassischen Verlags, also Marketing und Lektorat, verbinden, zum anderen aber auch ausgewählte Programmtitel als Printfassung herausgeben. Zudem ist eine enge Zusammenarbeit mit Partnerverlagen vorgesehen; auch für unsere Zeitschrift ]trash[pool wird duotincta in Zukunft den Online-Vertrieb verantworten – dank ihrer Kontaktaufnahme mit unserer Redaktion bin ich überhaupt erst auf sie aufmerksam geworden. [Meine Zusammenarbeit mit duotincta wird in Zukunft sogar noch enger werden, aber dazu ein anderes Mal mehr.]

Wie sich die Literaturbranche angesichts der sozialen Medien und den Entwicklungen auf dem E-Book-Markt entwickelt, wird spannend zu beobachten sein. Eines ist aber jetzt schon sicher: Blogs werden eine große Rolle dabei spielen. Die aktuelle Situation ist in jedem Fall eine Chance für Indie-Verlage und Startups, die Leerstellen der etablierten Verlage zu nutzen und sich mit Innovationen und Qualität nach vorne zu bringen; durchaus interessante Zeiten als Autor und Leser!

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