Buchhändlerinnen im Gespräch zum #dbp17

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Es ist ja schön und gut, wenn die von der Jury nominierten Titel im Feuilleton besprochen und von uns Buchpreisbloggern vorgestellt werden. Aber wie kommen Long- und Shortlist des Deutschen Buchpreises eigentlich bei denen an, die die Bücher dann auch verkaufen sollen? Ich habe mit Buchhänderlinnen über die Auswahl der Jury und ihre Favoriten gesprochen. Maria-Christina Piwowarski arbeitet seit 2012 bei Ocelot, not just another bookstore, Jacqueline Masuck seit 2000 in der Belletristik-Abteilung beim KulturKaufhaus Dussmann; darüber hinaus bloggt sie auf masuko13 über Literatur und war in den vergangenen Jahren Teil des Buchpreisbloggerteams.

Wie zufrieden seid ihr mit der Longlist-Auswahl der Jury?

Piwowarski: In den vergangenen Jahren habe ich vor allem festgestellt, dass es mir die wechselnde Jury wohl nie recht machen kann. Auch in diesem Jahr finde ich die Liste bedauerlich unspektakulär. Mir fehlt schlicht EIN Titel darauf, für den ich so richtig die Daumen drücken will, für den ich brennen kann. Aber ich sehe durchaus ein, dass das ein rein subjektives Problem ist. Ich habe mich für Christine Wunnikes Katie und Das Jahr der Frauen von Christoph Höhtker gefreut und fand die Nominierung von Schreckliche Gewalten von Jakob Nolte eine gute und mutige Entscheidung. Den Rest der Liste musste ich hinnehmen – wie das Berliner Wetter in diesem Sommer.

Masuck: Ich fand die Longlist sehr ausgewogen. Es waren einige Titel aus Indie-Verlagen dabei mit sehr literarischen Büchern wie Jakob Noltes Schreckliche Gewalten (Matthes & Seitz). Gleichzeitig waren auch große Verlage vertreten wie Suhrkamp mit drei AutorInnen und Galiani mit dem großartig unterhaltenden Roman Wiener Straße von Sven Regener. Für uns Buchhändler ist es immer schön, wenn die deutsche Buchlandschaft in ihrer gesamten Vielfalt präsentiert wird. Die Kunden nehmen das auch begeistert an, das spürt man dann an den guten Abverkäufen. Im KulturKaufhaus Dussmann präsentieren wir deshalb bereits die Titel der Longlist als großes Medienereignis.

Welchen Titel habt ihr vermisst?

Piwowarski: Einen? Ich kann absolut nicht nachvollziehen, dass weder Svealena Kutschke für Stadt aus Rauch noch Sabrina Janesch für Die goldene Stadt nominiert wurden. Darüber hinaus hätte ich zu gern Jana Hänsel, Zsuzsa Bánk, Lana Lux, Chris Kraus, Mariana Leky, Barbara Zoeke und Isabel Fargo Cole auf der Longlist gesehen. Und Uwe Timm.

Masuck: Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Lana Lux mit Kukolka und Kevin Kuhn mit Liv es auf die Longlist geschafft hätten.

Haben es die richtigen Bücher in die Shortlist geschafft?

Piwowarski: Unter den gegebenen Umständen schon. Feridun Zaimoglu mit seinem gefühlten Dauerabonnement auf die Longlist hätte mit Evangelio im Lutherjahr vermutlich zu gewollt gewirkt. Auch Jonas Lüscher und Kerstin Preiwuß haben meiner Meinung nach mit diesen Büchern keinen Shortlist-Platz verdient. Und Sven Regener zu nominieren fand ich (bei aller Sympathie) genauso unsinnig, wie im letzten Jahr Joachim Meyerhoff (ebenfalls bei aller Sympathie) auf die Longlist zu setzen.

Masuck: Ich freue mich wirklich wahnsinnig, dass der Suhrkamp Verlag mit drei Titeln auf der Shortlist vertreten ist. Hier drücke ich ganz besonders die Daumen, dass einer der drei AutorInnen den Deutschen Buchpreis gewinnt. Allerdings hätte ich gerne noch Ingo Schulze mit seinem Roman Peter Holtz aus dem S. Fischer Verlag auf der Shortlist gesehen.

Wer, glaubt ihr, gewinnt den Deutschen Buchpreis?

Masuck: Eine Prognose wage ich momentan nicht, da ich einige der Shortlist-Titel noch lesen möchte. Zum Beispiel auch Falkners Romeo oder Julia aus dem Berlin Verlag.

Piwowarski: Da mein „Glaube“ hier scheinbar keine Rolle spielt (siehe Frage zwei: Auf alle diese AutorInnen hätte ich zu gern ein Monatsgehalt gewettet.), wünsche ich den Buchpreis einfach Marion Poschmann oder Sasha Marianna Salzmann. Auch mit Franzobel wäre ich zufrieden – unter den gegebenen Umständen. Zudem muss ich, auch, wenn das nicht gefragt war, ergänzen, dass ich Margaret Atwood als Gewinnerin des diesjährigen Friedenspreises des Deutschen Buchhandels eine so grandiose Entscheidung finde, dass mich das mit all meinem Gram versöhnt, zumal ich mich auch jetzt schon auf die nächste Longlist freue. Ich habe es versucht, ich kann nicht anders.

***

Nicht nur unter uns Buchpreisbloggern polarisiert die Auswahl der Jury zuweilen – und das ist auch gut so: Man spricht und diskutiert über Literatur, schafft dadurch Aufmerksamkeit für AutorInnen und Bücher, die ohne Nominierung womöglich nur wenig öffentliche Beachtung gefunden hätten. Allerdings gibt es auch deutlich kritischere Stimmen zur Longlist des Deutschen Buchpreises. Angelika Abels, Bloggerin und Inhaberin der Buchhandlung Angelikas Büchergarten, antwortete mir: „Ehrlich gesagt habe ich mir die Longlist erst angeschaut, nachdem Deine Anfrage kam. Warum? Nun, in den letzten beiden Jahren (seit der Eröffnung meiner Buchhandlung) habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Kunden daran nicht interessiert sind. Auf Nachfrage bekomme ich zur Antwort, dass sie die Bücher als zu „schwer“ und zu „elitär“ empfinden. Ich sehe es ähnlich. Die Texte erschlagen den Leser und die Thematik ist oftmals düster. Aus buchhändlerischer Sicht sind diese Bücher kaum bis gar nicht verkäuflich. Das heißt nicht, dass ich den Deutschen Buchpreis unwichtig finde. Nein. Das Kulturgut Buch ist wichtig und sollte auf jeden Fall gefördert werde. Nur bei der Auswahl der Titel für die Longlist sollte man mal weniger „elitär“ denken. Ferner würde ich mir mehr Autorinnen und Indie Verlage wünschen. Ich selbst habe in diesem Jahr wundervolle Texte aus verschiedenen Indie Verlagen gelesen. Nachdem ich mir dann jetzt auch die Shortlist angeschaut habe, denke ich, dass Außer sich eine gute Chance hat … das ist zumindest das Buch, welches ich auch lesen würde.“

Drei BuchhändlerInnen, drei Meinungen – und in der Jury werden die Diskussionen während der nächsten Wochen kaum einfacher sein… Ich danke Maria-Christina Piwowarski, Jacqueline Masuck und Angelika Abels dafür, dass sie sich die Zeit genommen haben, mir meine Fragen zu beantworten!

3 Kommentare

  1. Ich würde gerne einmal eine Liste sehen, die den Buchhändlerinnen gefallen würde.
    Außer Meyerhoffhttps://literaturgefluester.wordpress.com/2016/10/02/ach-diese-luecke-diese-entsetzliche-luecke/, mit dem ich mich nicht erwärmen kann und Sven Regeners „WienerStraße“, https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/09/14/wiener-strasse/ das mir persönlich sehr gefallen hat, würde mir da nichts einfallen, was den „qualitativen Anspruch“ entspräche, denn da müßten wahrscheinlich Krimis draufkommen, Chicklits und wahrscheinlich auch internationale Literatur zu der die Durchschnittsleserin wahrscheinlich eher als zu Marion Poschmann greift, die ich gerade lese und was ich für das Beste von den drei bisher gelesenen Shortlistbüchern halten würde, denn sie ironisiert gekommt und ideal das Klischees von dem in der Midlifekrise gebeutelten Mann, wie wir ihn ja bei Lüscher https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/08/26/kraft/ Bonne https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/08/31/lichter-als-der-tag/, Falkner etcetera haben und diese Bücher beginnen mich, wenn nicht zu langweilen, dann inzwischen zu amusieren, was die Genderferage betrifft.
    Ich lese mich jetzt zum dritten Mal durch die Buchpreisliste https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/08/11/archivnachtrag-und-listenschaetzung/, 2013 hätte ich das gerne auch schon gemacht, mich aber nicht so recht getraut und vorher habe ich das Preisgeschehen nur so von außen verfolgt und ich muß sagen, man lernt enorm durch das Buchpreislesen, auch wenn es mich von August bis November in einen gewissen Streß versetzt, weil da ja auch noch anderes auf mich zukommt, die Buchmessen, der Nanowrimo, der Lteraturpreis „Ohrenschmaus“, wo ich in der jury bin, die allträgliche Praxis, die Familie, etcetera und denke, er ist, trotzdem die Leute lieber Krimis oder Mainstream lesen, eine tolle Sache, jedenfalls für mich und mein Bloggerinnenleben, liebe Grüße aus Wien!

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