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Out now: Willkommen! Blogger schreiben für Flüchtlinge

Cover - Willkommen! Blogger schreiben für Flüchtlinge

ISBN 978-3-944543-28-4

Schon mehrfach habe ich in meinem Blog über die Vorteile des digitalen Verlegens geschrieben, allen voran die Möglichkeit, schnell auf aktuelle Themen und Debatten zu reagieren. Mit Willkommen. Blogger schreiben für Flüchtlinge ist heute bei Mikrotext ein E-Book erschienen, das hinter diese These ein Ausrufezeichen setzt. Kein Thema bewegt uns derzeit mehr als die vielen Menschen, die sich auf den weiten Weg gemacht haben, auf der Flucht vor Krieg, Armut, Krankheit, Folter, Hunger, Tod. Im Zuge der Spendeninitiative #bloggerfuerfluechtlinge haben sich in den vergangenen Monaten so viele Menschen in Wort und Tat für Flüchtlinge engagiert, dass Caterina Kirsten von Schöne Seiten mit ihrer Idee, die besten Texte unter diesem Hashtag in einem E-Book zu veröffentlichen, bei Nikola Richter von Mikrotext sofort auf offene Ohren stieß. Mit Katharina Gerhardt, Ariane Novel, Eva Siegmund und mir fanden sich schnell genügend Mitstreiter, um dieses ehrenamtliche Projekt in ehrgeizig kurzer Zeit auf die Beine zu stellen.

Drei Monate lang haben wir Texte gesichtet, gesammelt und diskutiert. Wir wollten Vielfalt. Und wir wollten Qualität. Von Anfang an war es uns wichtig, ein differenziertes und breites Bild aufzuzeigen, das sich nicht nur auf die Situation der letzten Monate beschränkt, sondern diese auch in einen historischen Kontext setzt. Und obwohl wir uns manchmal ein gemeinsames Großraumbüro mit Kaffeemaschine und Keksdose gewünscht hätten, haben wir uns im digitalen Raum zwischen Hamburg, Berlin, Frankfurt, Stuttgart, München und Barcelona kennen, schätzen und mögen gelernt – und eine Anthologie zusammengestellt, auf die wir alle stolz sind.

Die Geschichten, Meinungen und Statusmeldungen, die in diesem E-Book versammelt sind, öffnen dem Leser die Augen, jede auf ihre Art. 54 persönliche Texte – so unterschiedlich wie die Menschen, die sie geschrieben haben – erzählen von Flucht und Flüchtlingshilfe, erzählen von Menschen, die damals wie heute auf die Hilfsbereitschaft anderer angewiesen waren und sind.

Da ist der Münchner Karim Hamed, der in einem Auffanglager auf Arabisch mit den Menschen spricht und uns ihre Gedanken lesen lässt. Da ist die österreichische Kultautorin Stefanie Sargnagel, die böse, aber hochkritisch ihren Blick auf die linke Gutmenschenriege knallen lässt. Da ist die erfolgreiche Sängerin Sarah Connor, die eine syrische Mutter mit fünf Kindern aufnimmt. Und da ist die Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg, die von ihren Flüchtlingsvorfahren erzählt. Ein Vater mit Papablog schreibt einen rührenden Brief an sein Kind über die eigene Flucht aus der DDR, eine österreichische Modebloggerin einen verzweifelten Brief an ihre Regierung. Ein Reporter schleicht sich undercover in Europas größtes Flüchtlingscamp, und ein Lesern meines Blogs nicht ganz unbekannter syrischer Flüchtling – Aboud Saeed – erzählt gewohnt launig von seinem neuen Leben in Berlin. Auch Literaturblogger kommen natürlich zu Wort: Uwe Kalkowski, Ilja Regier und Tania Folaji lassen uns an den Flüchtlingsschicksalen ihrer eigenen Familie teilhaben und ziehen daraus ihre Schlüsse.

Das E-Book soll aber nicht Beweis einer neuen Willkommenskultur sein und ein klares Zeichen setzen, dass die Hetzer in Deutschland nicht in der Mehrheit sind und Menschen in der Not bei uns willkommen. Es soll auch einen Beitrag leisten: Sämtliche Erlöse werden zugunsten der Initiative #bloggerfuerfluechtlinge gespendet. Mehr Informationen und Leseproben aus den Texten gibt es bei Mikrotext. Doch am besten kauft ihr es ohne Umwege gleich für 4,99 € in einem E-Book-Store eurer Wahl, zum Beispiel bei Minimore!

PS: Frei nach Steve Jobs gäbe es da noch one more thing: Wenn ihr ohnehin schon beim gut sortierten Minimore vorbeischaut, könnt ihr gleich auch eine Digitalausgabe von ]trash[pool in den Einkaufswagen legen – ab sofort sind dort die Ausgaben 4-6 als Digitalversion sowie mein Roman Dezemberfieber erhältlich!


Update (10.1.2016): Inzwischen wurde das E-Book nicht nur auf einigen Blogs vorgestellt, sondern auch im Börsenblatt und der F.A.Z.!

E-Book-Singles: Kleine Texte mit großem Spielraum (1/2)

single3 Vor einem halben Jahr habe ich in einem Artikel über den Zustand der Verlagswelt bereits angerissen, dass ich E-Book-Singles derzeit für die interessanteste und innovativste Idee des Buchmarkts halte: kleine Texte mit großem Spielraum, die nur wenig kosten und wie gemacht fürs digitale Lesen sind. Anscheinend habe ich ein Faible für Underdogs, ein typischer deutscher Leser scheine ich jedenfalls nicht zu sein. Denn der interessiere sich nicht für das neue Textformat, stellte Die Welt jüngst in ihrem Feuilleton fest. Hiesige Käufer von E-Books „unterscheiden sich in ihren Vorlieben nicht wesentlich von den Käufern gedruckter Bücher. Sie wollen dicke Romane, Genreliteratur, Krimis, Thriller, Romantik, Sex. Und sie möchten auch auf dem Lesegerät keine unbekannten Autoren entdecken, sondern bleiben bei dem, was sie kennen“, schreibt Konstantin Richter. Auch Johannes Haupt, Betreiber von lesen.net, kommt aufgrund ihrer niedrigen Verkaufszahlen zu einem harschen Urteil über E-Book-Singles und bezeichnet sie gegenüber Deutschlandradio Kultur als Flop. Bei den Hanser Literaturverlagen, wo mit Hanser Box eine der prominentesten Single-Reihen publiziert wird, sieht man das anders. Als Reaktion auf den Welt-Artikel twitterte Verlagslektor Florian Kessler: Bildschirmfoto 2015-06-18 um 11.39.15 Meines Erachtens vertritt Kessler hier genau den richtigen Ansatz: Momentan sollten die kurzen E-Books nicht an den Maßstäben von Bestsellern, sondern nur an ihrem eigenen Potenzial gemessen werden. Ein neues Format braucht Zeit, um sich zu entwickeln und zu finden. Zunächst einmal müssen Grenzen ausgelotet, Möglichkeiten erkundet werden – und zwar sowohl seitens der Autoren als auch seitens der Leser. Das Format bietet Texten eine Chance, die andernfalls womöglich nie veröffentlicht würden: Manche literarischen Texte sind zu kurz oder speziell, um kostendeckend gedruckt zu werden, manche Essays oder Reportagen zu lang, um in Magazinen oder Zeitungen zu erscheinen. Nicht zuletzt entstehen inzwischen immer öfter Texte, die digitale Literatur als eigene Gattung begreifen und in Printform zwar möglich, aber unsinnig wären. Im Frohmann Verlag werden mitunter Tweets zu einem Buch zusammengefasst oder regelrechte MAXI-Singles wie das Mammutprojekt 1000 Tode schreiben veröffentlicht, bei Mikrotext können gesammelte Statusmeldungen aus Facebook den syrischen Bürgerkrieg reflektieren oder Chatprotokolle eine dramatische Flucht ins politische Asyl illustrieren.

Alles geht, nichts muss

Manche Texte funktionieren für das Format vielleicht besser als andere, aber ohne den wirtschaftlichen Zwang zum Erfolg sind die kostengünstig zu produzierenden E-Books eine erfrischende Abwechslung zu den oft ermüdend gleichförmigen, durchkalkulierten Programmen der Publikumsverlage. Ohne größeres Risiko können Autoren aus dem engen Markenkorsett, in das Agenten und Verlage sie zuweilen zwängen, ausbrechen und herumexperimentieren, sich ausprobieren. Kurzgeschichten, für die es in Deutschland noch nie einen nennenswerten Markt gegeben hat, finden eine Plattform außerhalb unverkäuflicher Erzählbände. Reportagen und Essays, denen es auf Seite drei der Süddeutschen zu eng ist, dürfen sich nun auch auf dreißig ausbreiten. Leser, die sich ihre Neugierde bewahrt haben, können sich von Texten wieder öfter überraschen lassen und neue Autoren entdecken. Das alles ist, was Florian Kessler meinte, als er davon sprach, dass E-Book-Singles vor allem eine Erweiterung seien.

Soviel zur schönen Theorie. (mehr …)

1000 Tode schreiben – und lesen!

1000todeObwohl sich mein Blog aufgrund des zeitfressenden Feinschliffs an Dezemberfieber momentan (leider!) noch in Zwangspause befindet, melde ich mich aus aktuellem Anlass nun doch mal wieder zu Wort: Morgen erscheint Version 3 (von 4) der fortlaufenden Textsammlung „1000 Tode schreiben“. In dem so ehrgeizigen wie interessanten E-Book-Projekt des Frohmann Verlags (den ich diesem Artikel sträflicherweise nicht erwähnt habe) sollen sich 1000 Menschen in ebenso vielen Beiträgen mit dem Thema Tod auseinandersetzen. Die bislang 350 kurzen Texte sind so unterschiedlich und abwechslungsreich wie ihre Autoren: Menschen, die privat oder beruflich mit dem Thema zu tun haben, schreiben gleichberechtigt neben Bloggern und gestandenen Schriftstellern wie Clemens Setz, Jan Fischer oder Daniela Seel. Auch ich durfte einen Text zu dem Projekt beisteuern; im kommenden Update von „1000 Tode schreiben“ befindet sich an 322. Stelle ein Auszug meines Romans Dezemberfieber, in dem der Verlust eines geliebten Menschen die Welt seiner Angehörigen sprichwörtlich aus dem Gleichgewicht bringt. Zur nächsten Version von „1000 Tode schreiben“ stelle ich das Projekt inhaltlich noch einmal genauer vor und veröffentliche in diesem Zuge dann auch meinen Beitrag auf dem Blog.

Für die 4. Version, die zur Leipziger Buchmesse erscheinen soll, nimmt die Herausgeberin Christiane Frohmann – die das Projekt mit geradezu heldenhaftem Einsatz beinahe im Alleingang stemmt – noch bis zum 1. März Texte an (weitere Infos hier). Mit dem Kauf muss man bis dahin jedoch nicht warten: Bei jedem Update bekommt man die aktuelle Version des E-Books per Mail geschickt. Die 4,99 € – zum Beispiel im Store von Minimore – sind nicht nur aufgrund der schieren Masse und Vielfalt an Texten gut angelegt: Da der gesamte Autoren- und Herausgeberanteil ans Kindersterbehospiz Sonnenhof in Berlin­‐Pankow gespendet wird, unterstützt man obendrein auch eine gute Sache!